Das war in Mareeba, Queensland. Einen Katzensprung vom Touristenmagneten Kuranda im Unesco-Weltnaturerbe-Regenwald. In diesem Kuhkaff mitten in der Wildnis hatte vor vielen Jahren eine Jugendfreundin, Absolventin der Braunschweiger Kleinen Burg, eine Schmetterlingszucht aufgebaut. Ich war zu Besuch, hatte gerade Schiffspassagiere von Tahiti westwärts bis Guam begleitet und wollte Australien "machen", sechs Wochen Minimum. Am zweiten Abend wollte sie mir ihren Garten zeigen oder besser: erklären - "Natur ist hier nicht ganz ohne", sagte sie und ahnte, dass ich ein urbanes Weichei bin. "Da vorne habe ich letzte Woche mit Axt und Kettensäge eine Würgeschlange zerlegt, kann sein, dass da noch mehr sind. Dieses Kraut hier: weiträumig umgehen, Du wirst böse verätzt". Nach einer Viertelstunde Gefahrenkunde bat ich, den Garten nie betreten zu müssen, ihr Haus sei doch auch schön. "Ja, aber lass Türen und Fenster zu, es gibt hier Spinnen, sag ich Dir..." Tja, und so blieb das, wo immer ich hinfuhr. An allen möglichen, zugegeben oft sehr romantischen Badestränden hängen außer Warnschildern riesige Essigflaschen. Falls man mit einer der Quallen Kontakt hatte. Also nicht baden, sondern ein bisschen im Schatten dösen. Wach wurde ich durch die Warnschreie einiger Strandnachbarn - ein gut zwei Meter langer Waran stapfte geradewegs auf mich zu. Gut - also nie wieder Strand. Ab ins Naturschutzgebiet, wo es eine gefährdete Vogelart gab. Der einzige gefährdete war ICH. Am Eingang des Areals war eine Tafel angebracht, auf der sinngemäß zu lesen war: Supi, dass Sie sich für den Kasuar interessieren, und wenn Sie einen zu Gesicht bekommen, sind Sie ein richtiger Glückspilz. Aber sehen Sie zu , dass sie einen Baum zwischen sich und den Vogel bekommen, denn mit seinen riesigen Krallenfüssen wird er Sie anspringen und mit Leichtigkeit ihren Brustkorb eindrücken... Ich habs nur drei Wochen ausgehalten. "If the going gets tough, the tough get going", sagt ein australisches Macho-Sprichwort: wenn es hart kommt, kommt die Stunde der Harten. Ich kann nur sagen: Bye-bye, Weichei! Australien ist nur was für Hartgesottene.
Andreas Döring, langjähriger Redakteur im NDR Studio Braunschweig, arbeitet als freier Autor im Bereich Reisen und Literatur. Er hat in Windhoek, Namibia, bei 30 Grad im Schatten die Weihnachtssendungen für das deutschsprachige Radioprogramm produziert, in Sambia Dorfschulkinder unterrichtet und ist als Literaturlektor auf Expeditionsschiffen durch Mittelmeer, Karibik und Südsee gefahren. Seine Reisenotizen hat er für uns zu kleinen Geschichten verarbeitet. Döring wurde mehrfach für seine Arbeiten ausgezeichnet, hatte bis 2020 einen Lehrauftrag für Kultur- und Reisejournalismus an der Faber-Castell Akademie und ist in Lesungen auf englisch und deutsch zu hören.
Text und Foto von Andreas Döring