Links und rechts von der Dosse

Entdeckungen in den Natur- und Kulturlandschaften der Prignitz.
Foto von Ronald Keusch
Foto von Ronald Keusch

Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah. Zum Beispiel eine Erkundung der Landschaften und ihrer Kultur in der Prignitz im Nordwesten von Brandenburg, zwischen Elbe und Müritz, fast vor der Haustür von Berlin. Die Region ist umringt von bekannten Naturlandschaften, die auch Großschutzgebiete genannt werden und klangvolle Namen haben wie Naturpark Westhavelland oder Stechlin-Ruppiner Land. Demgegenüber ist die Prignitz weniger bekannt und weniger überlaufen, aber genauso spannend und ein famoses Urlaubsgebiet. Hier befindet sich ein kleines Kleeblatt von nah beieinander liegenden Orten mit Wusterhausen, Kyritz und Neustadt. Sie liegen links und rechts von der Dosse, einem knapp einhundert Kilometer langen Nebenfluss der Havel.


Spätklassizistisches Rathaus von Wusterhausen

Wusterhausen an der Dosse

In Wusterhausen an der Dosse siedelten Menschen schon in slawischer Zeit. Damals und bis hinein ins Mittelalter war die Dosse ein wichtiger Verkehrsweg. Umgeben von den Armen des Flusses trafen sich Straßen, die weiter ins Land Ruppin und bis an die Küste nach Hamburg führten.


Katharina Zimmermann

Kulturgut Altstadt

Heute präsentiert sich das 2.700-Einwohner-Städtchen Wusterhausen mit einem sorgsam sanierten historischen Stadtkern. Hier wird der Besucher zu einem entspannten Bummel entlang der vielen Fachwerkhäuser eingeladen. Der Weg führt zum Beispiel vorbei an dem imposanten Haus am Markt von Wusterhausen aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, das im Jahr 2011 umfassend restauriert wurde. Hier ist das Wegemuseum eingerichtet, "in dem die Geschichte der Kleinstadt am großen Weg mit modernem Design und Medieninstallationen erzählt wird", so beschreibt die Leiterin Katharina Zimmermann das Museum. Im Spätmittelalter mit dem Salzhandel wohlhabend geworden, führten der Verbot der Salzeinfuhr, Kriegswirren, Brände und die Pest dazu, dass sich Wusterhausen wieder mit der Rolle des unbedeutenden Ackerbürgerstädtchen begnügen musste. Daran änderte auch nichts eine zeitweilige Konjunktur durch die Stationierung der Eskadron Kürassiere, die Tuchmacher, Schneider und etwa einhundert Schuhwerkstätten beschäftigte. Das hatte der Stadt sogar den Beinamen "Schusterhausen" eingebracht, aber eine fabrikmäßige Schuhherstellung kam wegen fehlendem Markt nicht zustande.


Zwei-Rad Museum

Im Zweirad-Museum parkt die Schwalbe

Übrigens hat das große Wegemuseum auch einen kleinen Bruder. Das DDR-Zweirad-Museum, ein Privatmuseum, wurde von Dieter Scholtz vor zwei Jahren eröffnet. Da parkt die "Schwalbe" Baujahr 1960 neben dem Star, da stehen Fahrrädere von Diamant und MIFA, einige sogar mit Fahrrad-Hilfsmotoren der Hersteller Steppke und MAW. Alle sind blank geputzt und einsatzbereit. Hier ist sogar ein echter Oldie aufgestellt, das Original eines Simson KR 50 aus den 50er Jahren. Eine bunte Melange von Mopeds und Motorrädern mit dem Logo von IFA, einem Minol-Schild, MZ, Jawa und von der Wand schaut eingerahmt Wilhelm Pieck, der am 2. September 1945 in Kyritz die demokratische Bodenreform verkündete. DDR-Nostalgie? Eher nur ein Stück jüngere Geschichte aus der Umgebung von Wusterhausen.


Zwei-Rad Museum

Kirche mit Forderung nach Frieden


Kirche St. Peter und Paul

Ein Spaziergang durch das Städtchen führt zu einer Reihe von geschichtsträchtigen Bauten. Im Stadtzentrum erhebt sich der Prachtbau des spätklassizistischen Rathauses und nicht weit entfernt dominiert die Stadtpfarrkirche St. Peter und Paul mit einem gewaltigen Dach und einem frühgotischen Turm. Das Chorgestühl, die kunstvoll geschnitzte Kanzel und die mittelalterlichen Wand- und Deckenmalereien zeugen vom Wohlstand Wusterhausens in damaligen Zeiten. Der Kirchenbau, schon im 13. Jahrhundert begonnen, hat so viele Wandlungen und Umbauten erlebt wie der Ort Wusterhausen selbst. Allerdings hat hier, hundert Kilometer vom deutschen Außenministerium und den Redaktionsstuben in Berlin entfernt, die evangelische Kirche ihre Christlichen Werte nicht in einer Zeitwende modifiziert. Denn an der Kirchenmauer ist auf einem Tuch in großen Buchstaben das Gebot zu lesen: "Allen Menschen Frieden auf Erden" und "Jesus Christus spricht: Glücklich sind, die Frieden machen". Diese schlichten und sanften Zeilen von Jesus sollten alle "kriegsmüden" Deutschen bestärken und den Kriegshetzern und der Rüstungslobby, aber auch manchen scheinbar tauben Kirchenfürsten in den Ohren dröhnen. Doch Wusterhausen hat seinen Gästen nicht nur Städtisches aus dem Geschichtsbuch zu offerieren, sondern wie es sich im Brandenburgischen gehört, eine attraktive Seenlandschaft. Nördlich von Wusterhausen liegt die Kyritzer Seenkette. Wie an einer Perlenschnur reiht sich See an See, darunter der Untersee, der Klempowsee und der Obersee, seit mehr als einhundert Jahren Ziel vieler Sommerfrischler aus Berlin.


Kirche St. Peter und Paul

Kyritz an der Knatter

Auch die Stadt Kyritz liegt auf einem seit vielen tausend Jahren besiedelten wasserreichen Gebiet zwischen der Jäglitz und der Dosse. Die Stadt erhielt das Recht der Schifffahrt, hatte über die Havel Anschluss an die Elbe und wurde im 14. Jahrhundert sogar Mitglied der Hanse. Der Standort brachte der Stadt auch einen kuriosen Namen ein. Da die Straßen für die Postkutschen von Berlin nach Hamburg nahe an vier Wassermühlen vorbeiführten, an der Jäglitz und dem Zufluss der Dosse und Havel, war für die Fahrgäste der Kutschen schon von weitem das Knattern der Windmühlenflügel zu hören. Die Kyritzer haben diesen liebevoll spöttischen Beinamen angenommen und werben sogar mit einem Sekt "Knatterperle" und einem Kräuterlikör "Knatterwasser".


Kyritz an der Knatter

Kleinsthäuser ideale Ferienquartiere

Ein Spaziergang durch die historische Altstadt führt im Klosterviertel zu den an der Stadtmauer gelegenen Kyritzer Kleinsthäusern, die mit einer Besonderheit aufwarten. Hier wurden lange Jahre leerstehende historische Budenhäuser aus dem 18. Jahrhundert, die früher von armen Tagelöhnern bewohnt wurden, aufwendig restauriert. Mit eingebauter Küche und ausgebauter Schlafgalerie unterm Dach sind sie ideale Ferienhäuser für Angler, Radler, Wanderer und Wassersportler. Jedes der denkmalgeschützten Häuser ist individuell gestaltet und nur wenige Schritte vom historischen Stadtkern von Kyritz entfernt.


Franziskaner Kloster

"Knattermimen" im Klosterpark

Ganz in der Nähe befindet sich das historische Wahrzeichen der Stadt - das Franziskaner Kloster. Der von Franz von Assisi gegründete Franziskaner-Orden hatte bereits im 13. Jahrhundert hier mit dem Klosterbau begonnen. Die noch erhaltenen Gebäude und Anlagen werden in den nächsten Jahren von der Stadt und ihren Kulturvereinen zu einem Kulturzentrum weiter ausgebaut. Eine einzigartige Kulisse für Ausstellungen, Märkte und Feste, Konzerte und Theaterspiel. Auf einer kleinen Bühne führt in der Sommersaison die Laienspielgruppe "Kyritzer Knattermimen" ihre Vorstellungen auf. Das vielfältige Programm reicht von anspruchsvollen Stücken wie "Ödipus & Antigone" nach Sophokles bis zu einer Posse mit Gesang "Kyritz-Pyritz". Die Kyritzer und wie auch die Touristen sind von der Theatergruppe sehr angetan und die Vorstellungen sind gut besucht.


Denkmal für die mutigen Frauen

Denkmal für mutige Frauen

Mitten auf dem Marktplatz haben die Kyritzer Bürger mit dem Bassewitzbrunnen ihren mutigen Frauen ein Denkmal gesetzt. Als Anfang des 15. Jahrhunderts der Raubritter Bassewitz versuchte, durch einen unter der Stadtmauer gegrabenen Tunnel in die Stadt einzudringen, wurde er von Frauen der Stadt entdeckt, mit heißem Brei übergossen, und festgenommen. Der Ritter wurde später mit seinem eigenen Schwert hingerichtet. Dieser Mut der Frauen ist der Bevölkerung beim Rittertum in der Neuzeit, wenn es ums Wohnen, Essen und Heizen geht, durchaus wieder zu wünschen.


Am Untersee der Kyritzer Seenkette


Fähre zur Unterseeinsel


Das "Insl"

Einkehr im Gasthaus "Insl"

Kyritz schmiegt sich an das Landschaftsschutzgebiet der "Kyritzer Seenkette". Mitten im Untersee liegt eine kleine Insel, die Untersee-Insel. Sie ist mit ausgeliehenen Ruder- und Tretbooten oder gemütlicher mit einer kleinen Fähre zu erreichen. Hier sind Boote mit Verbrenner-Motor nicht gestattet. Der Fährmann Sebastian Köckenberger, der die mit Ökostrom betriebene kleine Elektro-Fähre mit dem kuriosen Namen Polly Piff Paff steuert, ist auch der Wirt des schicken Wirtshauses auf der Insel. Die idyllisch gelegene, urig ausgestaltete Gaststätte trägt den Namen "Insl". Seit 1896 ist hier, anfangs in einer Fischerhütte, die Gastronomie zu Hause. Für den weiteren Ausbau wurden die Baumaterialien über die Eisdecke des Sees transportiert. Heute bietet das Gasthaus im Sommer mit schönen Biergärten viel Platz für hunderte Besucher. "Einige unserer Gäste kommen nur wegen unserer nach Hausrezept selbst gemachten Bouletten und unsere vielen Sorten von Flammkuchen", erzählt die Wirtin Rosmarie Köckenberger. Die Gastgeber sind nach vielen Pächterwechseln nun seit zehn Jahren erfolgreiche Insulaner und trotzten bislang allen Problemen in der Gasthaus-Branche. Das "Insl" ist mit seinem Speiseangebot und dem Biergarten der ultimative Geheimtipp für den Urlauber, die Einheimischen kennen und schätzen ihre Insel sowieso. Darauf ein Schwarz-Bier mit dem Markennamen "Kyritzer Mord und Totschlag" aus der Kloster Brauerei Neuzelle, das schon im 17. Jahrhundert in Kyritz gebraut wurde. Es zählt heute zu den deutschen Klassikern der Bierbrauerei. Der Name stammt noch aus dem Mittelalter, wo unter Trinkern das Starkbier nicht selten zu Streitereien führte.


Gastwirtin Rosmarie Köckenberger

Treffen mit dem Adebar

Die Prignitz ist ohne Übertreibung ein Radlerparadies mit ihren Wiesen, Wäldern und Feldern, ruhigen Seen und kleinen romantischen Fluss- und Bachläufen. Der Tourismusverband verkündet stolz, dass der Fahrrad-Urlauber über 1.100 Streckenkilometer durch 130 (!) nummerierte Knotenpunkte, so nennen sich heute auffällig gestaltete Wegweiser, durch die Region geleitet wird. Eine Kreuzung von mindestens drei Radwegen wird jeweils einem Knotenpunkt zugeordnet und auf dem Wegweiser gut sichtbar angebracht, daneben gibt es eine Übersichtskarte und Informationstafeln. Auf feuchten Wiesen entlang der Flüsse und auf den Dächern in idyllischen Dörfern trifft der Besucher dann auch den Adebar. Denn die Prignitz gehört zu den storchenreichsten Regionen in Deutschland. Ein Hotspot für "Störche gucken" mit etwa 30 Horsten ist der Ort Rühstädt bei Bad Wilsnack an der Elbe. Was sicher viele nicht wissen: In der Prignitz kann man auf historischen Wegen ohne große körperliche Anstrengung auch einige Tage zu Fuß unterwegs sein. Nicht nur Santiago de Compostela und der bekannte Jacobs Weg, sondern auch Bad Wilsnack ist ein Pilgerziel mit seinen Blut-Hostien. Der siebentägige Pilgerpfad beginnt in Berlin und Hennigsdorf, verläuft auch über Wusterhausen und Kyritz bis nach Bad Wilsnack. Immerhin zählt dieser Pilgerweg mit bis zu jährlich tausend Pilgern zu den fünf wichtigsten Pilgerstrecken in Europa.

Neustadt/Dosse

Auf einer wunderschönen Fahrradtour auf dem Deich mit Blick auf die Elbe erreicht man von Wusterhausen aus kurz vor Neustadt/Dosse das Straßendorf Kampehl.


Treff mit Adebar


Dorfkirche Kampehl


Ritter Kahlbutz

Die berühmte Mumie Ritter Kahlbutz

Hier in der Dorfkirche liegt in einem Gruft-Anbau die wohl berühmteste Mumie in Deutschland. Es ist die nicht verweste Leiche des Ritters Kahlbutz, der vor mehr als 300 Jahren hier beigesetzt wurde. Zu einem Touristen-Magnet wurde die Gruft vor allem auch deshalb, weil seit ewiger Zeit eine mystische Legende existiert. Als der Ritter Kahlbutz der Sage nach im Jahr 1690 einen Schäfer erschlagen hat, die Tat vor Gericht leugnete und freigesprochen wurde, soll er gesagt haben: "Wenn ich der Mörder bin, soll mein Leichnam nie verwesen." Ganze Heerscharen von Wissenschaftlern, sogar der berühmte Arzt und Pathologe Professor Virchow aus Berlin, konnten damals nicht endgültig klären, wieso der Leichnam mit seinen vertrockneten Organen nicht verwest. Selbst neuere moderne Untersuchungen zur Mumifizierung und dem Doppelsarg aus Eichenholz konnten keinen endgültigen Befund erbringen. Sicher ist auf jeden Fall, dass weiterhin viele neugierige Touristen die Parkplätze im Dorf belegen und im Restaurant neben der Gruft einkehren. Das Gasthaus trägt den beziehungsreichen Namen "Ritterhof".


Im Pferdegestüt Neustadt/Dosse


Pferde, Pferde, Pferde

Die Stadt der Pferde

Vom Dörfchen Kampehl führt ein gut ausgebauter Fahrradweg in die Stadt Neustadt/Dosse, in die "Stadt der Pferde" und zu einem Kronjuwel des Kulturerbes der Prignitz. Denn hier gibt es nicht nur eine international hoch geschätzte Pferdezucht, die vom Preußenkönig Friedrich Wilhelm II. gegründet wurde. Es entstanden zwei der wertvollsten Gestüte Europas, das Haupt- und das Landgestüt, die durch eine kilometerlange Baumallee miteinander verbunden sind. Beide Gestüte werden seit 2001 als eine Stiftung des öffentlichen Rechts geführt. Das gesamte Gelände der Gestüte, auf dem hochwertige Hengste und Stutenherden gehalten werden, umfasst 400 Hektar. Da ist es schon sehr praktisch, wenn man für die Besichtigung das Fahrrad dabeihat.


Pferde-Kutschen Museum

Internat mit Spezialklasse Reiten

Übrigens ist in Neustadt auch das Reitinternat Mühle Spiegelberg angesiedelt. An der Prinz-von-Homburg-Schule ist Reiten ein regulär benotetes Wahlpflichtfach; die jungen Reiter können an der Schule ihr Abitur ablegen. Für die Aufnahme in eine Klassenstufe "Spezialklasse Reiten" ist ein Eignungstest für Sport und Reiten erforderlich. Ab Klasse neun ist es verpflichtend, ein eigenes Pferd mitzubringen, es unterzubringen und sich selbständig darum zu kümmern. Ein stark nachgefragtes Internat für Diplomatenkinder.


Pferde-Kutschen Museum

Das ganze Jahr Pferde erleben

In Neustadt werden auch internationale Turniere veranstaltet. Das erste große CSI-Reitturnier 2024 findet wieder im Januar statt. Und schon bald werden traditionell drei Mal im September vor jeweils 12.000 Zuschauern die beliebten Hengstparaden veranstaltet. Sie bieten eine attraktive Pferde-Schau mit Showprogram, das auch viele Touristen anlockt. Es werden anspruchsvolle Reitvorstellungen gezeigt, die Kunst des Gespannfahrens vorgeführt sowie temperamentvolle Hengste, edle Stuten und ausgelassene Fohlen präsentiert. Das große Gelände ist für den Besucher durchgängig geöffnet. Wer es nicht schafft, bei der Hengstparade dabei zu sein, der kann sich etwas trösten. Auf den weitläufigen Koppeln der zwei Gestüte kann der Tourist in Neustadt das ganze Jahr Pferde erleben.

Die Pressereise in die Prignitz wurde vom Tourismusverband Prignitz e.V. organisiert. Text und Fotos von Ronald Keusch.

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