In den Tuamotus war das, französisch Polynesien. Ein paradiesisches Atoll neben dem anderen, hellblaue Lagunen, blendend weiße Sandstrände, Schnorchel-Riffe - daher auch der Name der Reise: Perlen der Südsee. Denkste! Damit die Passagiere weiterhin ihre Katalog-Romantik träumen konnten, waren sämtliche Lektoren kurz nach Sonnenaufgang zu landschaftspflegerischen Nebentätigkeiten verdonnert worden. Müll einsammeln am Strand. Schlag neun sollten die ersten Gäste anlanden, bis dahin musste alles strandgutfrei sein und so aussehen, als hätte niemand eingegriffen. Plastikflaschen, Autoreifen, Teekisten, Fischernetze: haben wir alles zur Luvseite geschleppt, wo wegen rauer See und scharfem Wind niemand hingehen würde. Das war übrigens schon im Oktober 2003 - Gretas Geburtsjahr. Die Gäste hatten den Bade- und Schnorcheltag ihres Lebens, wir waren gründlich. Aber eigentlich hätten wir ihnen den Dreck zeigen müssen, genauso wie die Dutzende von Müllgebinden, die Nacht für Nacht vom Schiff achteraus über Bord gingen - mit dem Hinweis, dass wir weit weniger verklappen, als international erlaubt ist.
In die Offensive bin ich erst ein paar Jahre später gegangen, als ein gut betuchter bayerischer Pensionär rassistische Bemerkungen darüber machte, dass "die hier" überall Müll liegen lassen, besonders Plasteflaschen, die man doch nun wirklich recyceln könne. An der marokkanischen Küste war das. Seither erzähle ich Passagieren gern die Geschichte der Coca Colas und Nestlés dieser Welt, die überall Brunnen aufkaufen und das Wasser so abfüllen, wie es sich halt im siegreichen kapitalistischen Westen als höchst profitabel herauskristallisiert hat. Trink oder stirb. Das Foto zeigt ein Lebensmittelgeschäft in Turmi in Südäthiopien. Es ist noch keine drei Monate alt, für Nachschub an den Stränden ist ausreichend gesorgt. Aber Hand aufs Herz: eine gut besuchte Aldi-Filiale verkauft diese Menge bestimmt auch jede Woche. Dabei kommt bei uns das Trinkwasser - anders als in der Südsee und in Afrika - aus dem Wasserhahn in Küche, Bad & Garten. Ein Ortswechsel noch - und dann bin ich auch durch mit dem Oberlehrer-Zeigefinger: Jedes Lebewesen braucht Wasser, und wenns nur ein Tropfen am Tag ist. Ein Satz, mit dem eine Führung zu Käfern, Schlangen und Sandwespen in der "Mondlandschaft" begann, einer kleinen Wüste in Namibia. Ein banaler Satz. Und tonnenschwer.
Andreas Döring, langjähriger Redakteur im NDR Studio Braunschweig, arbeitet als freier Autor im Bereich Reisen und Literatur. Er hat in Windhoek, Namibia, bei 30 Grad im Schatten die Weihnachtssendungen für das deutschsprachige Radioprogramm produziert, in Sambia Dorfschulkinder unterrichtet und ist als Literaturlektor auf Expeditionsschiffen durch Mittelmeer, Karibik und Südsee gefahren. Seine Reisenotizen hat er für uns zu kleinen Geschichten verarbeitet. Döring wurde mehrfach für seine Arbeiten ausgezeichnet, hatte bis 2020 einen Lehrauftrag für Kultur- und Reisejournalismus an der Faber-Castell Akademie und ist in Lesungen auf englisch und deutsch zu hören.
Text und Foto von Andreas Döring