Zugleich hat Ecuador die größte Vielfalt an Vogelarten auf der Welt aufzuweisen. Deshalb bieten zahlreiche Agenturen spezielle Rundreisen für Natur- und Vogelliebhaber an, darunter auch der Reiseveranstalter "Sommer-Fernreisen".
Heimat einer Vielfalt an Vogelarten
In Ecuador sind rund 1.600 heimische Vogel-Arten einschließlich der Zugvögel zu finden. Die Experten für nachhaltiges Reisen schätzen, dass hier etwa zwei Drittel aller Vogelarten aus Südamerika und fast die Hälfte aller Kolibris der ganzen Welt beheimatet sind. Danach hat erstaunlicherweise Ecuador mehr Vogelarten als die USA, Kanada und Europa zusammen. Das kleine Land bietet so viele Möglichkeiten, verschiedenste Arten von Vögeln zu beobachten wie sonst kein anderes Urlaubsziel. Das Reiseprogramm von Sommer-Fernreisen konzentriert sich auf Naturbeobachtungen an der Pazifik-Küste, dem Bergnebelwald und dem Andenhochland. Die Reisestationen, die der seit Jahrzehnten in Ecuador lebende Reisebegleiter Ralph Sommer ausgewählt hat, sind zu allermeist auch Plätze, die eine ausführliche Vogelbeobachtung ermöglichen.
Vogelwelt in der Agua Blanca
Bei der Fahrt durch den Trockenwald mit Kakteen, Salzbäumen und Akazien- Gewächsen, sie werden als die "Augenbrauen der Berge" bezeichnet, ist der erste Stopp in der Agua Blanca im Nationalpark Machalilla. In diesem Verwaltungs- und Kulturzentrum der Indigenen ist heute ein Museum mit Exponaten der Machalilla- und der Manteno-Kultur eingerichtet. Durch die Eroberungskriege der Inka wurde dieser kulturellen Entwicklung ein Ende gesetzt. Und ab 1532 erfolgte die Übernahme dieses Gebietes durch die spanische Kolonialherrschaft. In dem Urwald, der das Dorf umgibt, sind auf den angelegten weitläufigen Wegen viele Vögel zu entdecken. Ein erster Blick in das Vogelparadies. Dazu zählen u. a. der Rote Fliegenschnäpper (Vermilion), der Ofenvogel und der Motmot.
Klein Galapagos auf der Isla de la Plata
Eine weitere Station der Rundreise für Vogelliebhaber ist die Insel de la Plata. Sie wird gern von Reiseveranstaltern als "Klein Galapagos" bezeichnet. Doch der Vergleich ist mehr als verwegen. Denn im Unterschied zu den Galapagos-Inseln ist die Isla de la Plata nicht vulkanisch, sondern stammt von der Landmasse des Kontinents ab. Sie hat deshalb weder die Evolutionsgeschichte noch die Artenvielfalt zu bieten. Dennoch leben einige Vögel, die zu den Big 15 der Galapagos Tierarten gezählt werden, auch hier in großen Kolonien auf der Insel in Festlandnähe, wie beispielsweise die Blaufußtölpel. Hinzu kommt, dass besonders die Blaufußtölpel ähnlich wie auf Galapagos scheinbar jegliche Scheu vor dem Menschen abgelegt haben. So kann sich der Tourist auf schmalen Stein-Pfaden und unter den Fittichen eines Reiseführers den Tieren nähern und in nur wenigen Metern Entfernung die Paarungs-Rituale beobachten. Die Männchen werben um ihre Angebetete, indem sie eine Art Watschel-Tanz aufführen und hohe Pfeiftöne ausstoßen. Ihre tiefblauen Füße erhöhen offensichtlich die Chancen zur Paarung. Das Gackern der Weibchen ähnelt dann dem von den Gänsen in Europa. Bei der Wanderung auf der Insel de la Plata sind auch andere Arten der Tölpel wie die Nazcatölpel und die seltenen Rotfußtölpel zu beobachten sowie außerdem Tropic‐Vögel, Fregattvögel, Braunpelikane und Spottdrosseln zu sehen.
Fischfang per Sturzflug
Das an einer neu gebauten Küstenstraße liegende Fischerdorf La Crucita hat sich dank einer hochliegenden Klippe und begünstigt durch eine stetige steife Brise einen Namen für das Gleitschirmfliegen gemacht. Auf einer Anhöhe befindet sich ein Restaurant mit einer Terrasse, die einen umwerfenden Panoramablick auf die Steilküste bietet. Mit etwas Glück erlebt der Besucher hier kleine traditionelle Zeremonien junger Paare vor ihrer Hochzeit. Als Kulisse sind im Hintergrund ein knappes Dutzend braune Pelikane zu beobachten, wie sie im Sturzflug im flachen Wasser direkt an der Küste ungestört ihren täglichen Fischfang betreiben.
Garnelenteiche bedrohen Vogelschutzgebiete
Der nächste Punkt der Naturbeobachtungs-Tour ist El Humedal La Segua. Dieses Feuchtgebiet am Rio Chone gehört zu den wichtigsten Vogelschutzgebieten von Ecuador. Vom Eingang führt ein Pfad zu einer Lagune mit einem Aussichtsturm. Begleitet werden die Besucher von Maria Auxiliadora. Sie ist die Vorsitzende der Reiseführervereinigung. Dieses ecosystem ist ihr zu Hause. Sie ist hier oft mit Touristen unterwegs. Und sie macht auch im Vogelschutzgebiet ihre Kontrollgänge. Denn es gibt ein Problem. Das große Thema in der Region Bahia an der Küste ist der Schutz der Natur gegen das Vordringen von Garnelen-Teichen und der dahinter stehenden Garnelen-Industrie. Durch diese Expansion wurden in den letzten Jahren immer mehr Mangrovenwälder abgeholzt. Das Feuchtgebiet von 18,5 Hektar Größe ist im Privatbesitz von 50 Eigentümern, die auf insgesamt vier Dörfern verteilt sind. Sie wollen aus diesem Vogel-Paradies ihren eigenen Profit ziehen und dazu überall Garnelen-Teiche anlegen.
Problem für Natur auf der Speisekarte
"Mehr als die Hälfte des Feuchtgebietes ist bereits an die Garnelen-Aufzucht verloren gegangen", beklagt Reiseführerin Maria Auxiliadora. Die Politik förderte in erster Linie die Wirtschaft, während die Belange des Naturschutzes meist nur von privaten Initiativen unterstützt werden. "Leider ist die Zahl der Vögel und auch der Besucher rückläufig", so Maria. Doch einen Trost gibt es für alle Touristen, die hierher kommen. Die Zahl der Vögel, die im Feuchtgebiet leben, ist immer noch sehr groß. Dazu gehören Schnepfen, kleine Blaureiher, braune Pelikane, Kuhreiher, Eisvögel, Kormorane, Ibisse und viele mehr. Das Problem des Vogelschutzes steht übrigens überall in kleinen Küchen der Dörfer und in Fischrestaurants auf der Speisekarte - schmackhaft zubereitete Shrimps und Garnelen und sehr preiswert. Ecuador ist neben Thailand und Indien der Hauptexporteur von Garnelen weltweit.
Mindo - Hauptstadt der Vogelbeobachter
Die nächste Station der Sommer-Naturreise führt durch den Nebelwald in die Berge bis auf 1.500 Meter Höhe in die Westkordilleren und dann weiter in Richtung des Ortes Mindo auf 1.250 Metern Höhe. Das Touristenort Mindo ist die eigentliche Hauptstadt der Beobachter von Vögeln und Schmetterlingen. Einen Vorgeschmack liefert in einem vorgelagerten Tal der Ort San Miguel de los Bancos. Direkt am Straßenrand befindet sich das Restaurant "Mirador". Hier hat der Gastwirt für seine Gäste auf zwei Ebenen im Urwald Terrassen für eine Vogelbeobachtung eingerichtet. Die Gäste können ausgiebig mit und ohne Kamera Kolibris an Behältern mit Zuckerlösungen beobachten sowie Tukane und Tangare, die an Bananenstücken picken. Der Ort Mindo, gelegen im sogenannten Choco-Korridor, der die Flora und Fauna der Anden mit der Nordküste von Ecuador verbindet, ist vollständig vom internationalen Tourismus erobert. Eines von schier unzähligen Quartieren ist eine etwas abseits vom Ort liegende Hazienda, umgeben von tropischen Bäumen und Sträuchern, eine großräumige aus Holz gebaute Lodge mit dem Namen "Das gelbe Haus". Schon am Morgen zum Frühstück auf der Terrasse erscheinen die Kolibris. Immer wieder ein phantastischer Anblick, wenn sie an den Futterstellen nahezu waagerecht in der Luft stehen - mit bis zu 80 Flügelschlägen pro Sekunde!
Umweltschutz mit konkreten Aktionen
Es lohnt ein Besuch der Kolibri-Farm Mindo Lindo von Heike Brieschke und ihrem Ehemann Pedro Penafiel. Hier können durch die Besucher in freier Natur bis zu 20 verschiedene Kolibriarten und Tangare gesichtet werden. Die Vögel werden mit einer Mixtur aus Wasser und weißem Zucker angelockt. Aber Geduld muss man zur Vogelbeobachtung schon mitbringen. Die promovierte Biologin und Ornithologin engagiert sich für den Schutz von natürlichen Wäldern in Privathand, organisiert für Schüler und Studenten praktische Umwelterziehung und setzt sich für die Wiederaufforstung einheimischer Baumarten auf früheren Waldflächen ein. Eine Losung am Eingang eines Platzes für Vogelbeobachtung lautet: Lets save the planet together you and me. Für die Natur- und Umweltschützer in Ecuador sind diese Worte keine Parole für Demo-Schilder, sondern ein Aufruf zu konkreten Aktionen gegen die Abholzung von Urwald und für die Wiederaufforstung.
Schmetterlingsfarm mit Edelfaltern
Knapp drei Kilometer vom Dorf Mindo entfernt liegt noch eine Besonderheit der Vogelhochburg: die Schmetterlingsfarm Mariposario de Mindo. Ideengeberin und Motor des Familien-Unternehmens ist Rosie Ordonez. Vor 20 Jahren wurden ein Restaurant sowie Labore für die Schmetterlings-Zucht und eine große Freiluft-Flughalle mit einem Teich und vielen Pflanzen angelegt. Derzeit befinden sich ca. 1.200 endemische Schmetterlinge, unter anderem auffallende transparente Grasflügelfalter (Greta oto) und die Edelfalter Morpho und Caligo. Das Markenzeichen der Ausstellung: Die Besucher können sich ein kleines Bröckchen Banane auf einen Finger streichen, der dann von den Schmetterlingen abgefressen wird.
Fotojagd auf Roten Anden-Felsenhahn
Die Vogelbeobachtung kann auch mit einer abenteuerlichen Pirsch vor Sonnenaufgang beginnen. Noch bei Dunkelheit führt eine Fahrt durch Nieselregen in den Bergnebelwald in ein Privatreservat. Ziel ist die Balzstelle des "Cock of the rock" - des Roten Anden-Felsenhahns (Rupicola peruviana sanguiolenta). Insgesamt sollen sich 20 Hähne und nur zwei Weibchen in diesem Baumgeflecht des Urwalds befinden, so versichern die Veranstalter, die für ihre Beobachtungsstellen auch Eintritt verlangen. Anfangs sind die balzenden Hähne nur zu hören, aber nicht zu sehen. Sie sitzen ein paar Dutzend Meter entfernt auf Ästen der Bäume, meist gut versteckt hinter Blättern. Die Hähne werben mit dem Aufstellen ihrer Federhauben und durch Flügelschlagen und stoßen durchdringend kreischende Laute aus. Immerhin sind sie mit ihrem scharlachroten Gefieder etwa 35 Zentimeter groß. Die umworbenen Weibchen sind dagegen kleiner und haben ein braunes bis kastanienrotes unauffälliges Federkleid. Das Fotografieren ist ein sehr mühevolles Unterfangen. Nach geduldigem Warten sind nur die rot leuchtenden Hähne kurz zu entdecken. An dem mit Holzbohlen gefertigten Beobachtungsstand lässt sich zum Trost für einige Hobby-Fotografen ein Graukopf-Chachalaka, eine Waldhuhn-Art, brav von allen Seiten aus kurzer Distanz fotografieren. Doch die nächste Kolibri-Station ist nicht weit entfernt, um die Winzlinge ausführlich und massenhaft im Bild festzuhalten.
Text und Fotos von Ronald Keusch