Tuktuk und Bummelzug: eine Liebeserklärung

Andreas Döring reist für uns "In 80 Zeilen um die Welt".
Tuktuk und Bummelzug:  eine Liebeserklärung. Foto von Andreas Döring
Tuktuk und Bummelzug: eine Liebeserklärung. Foto von Andreas Döring

Das war in Georgien - auf der Fahrt nach Batumi am Schwarzen Meer. Wir saßen in einem etwas schäbigen, deutlich in die Jahre gekommenen Bus, der schon lange Zeit für eine kommunale Gesellschaft in Deutschland gefahren war, bevor er in Georgien in Dienst gestellt wurde (um dort noch mindestens weitere 20 Jahre sozusagen "Gnadendiesel" zu genießen). Im Stadtverkehr von Kutaisi, der zweitgrößten Stadt des Landes, hatten wir pro Ticket keine 30 Eurocents bezahlt. Und die Eisenbahnfahrt von Borjomi nach Tiflis, mehr als 160 Kilometer, lag bei unter 2 Euro. Beim derzeitigen statistischen Durchschnittslohn von 210 Euro in Georgien ist das nicht nur für West-Touristen preiswert. Die Züge sind nicht voller als in Deutschland auch, das Essen wurde von den älteren Ladies, die mit dampfenden Schüsseln durch die Wagen laufen, frisch zubereitet und dieses hier so weit verbreitete geht nicht gibt es nicht. In vielen aus unserer Sicht armen Ländern sind Busse und Bahnen für die Menschen da, während hier, im Land der barrierefreien Rechtssicherheit und des zwingenden zweiten Fluchtwegs, umgekehrt die Menschen für Bus und Bahn da sind und ihre Bedürfnisse gefälligst zügeln sollen.

Einstieg nur vorne!

Fahrradmitnahme begrenzt möglich.

Verkehrt heute ohne Bordrestaurant.

Oder: nicht selten verpasse ich in Braunschweig die Elektrische, weil sie 2 Minuten zu früh kommt. Die wartet keineswegs! Und Busfahrer, die nochmal stoppen und die Tür ein zweites Mal öffnen, sind rar gesät. In Vietnam wird schon mal von der Fahrtroute abgewichen, wenn eine alte Frau zwei Parallelstraßen weiter wohnt. Da nimmt auch die Schaffnerin (die auf einem kleinen Plastikhocker neben dem Fahrer sitzt) Pakete entgegen und liefert andere aus, Handy am Ohr, um sich beim Empfänger anzukündigen. Im obigen Zug nach Tiflis wurde gar ganz in Ruhe ein Doppelbett eingeladen, ein gutes Dutzend sperriger Einzelteile - der Lokführer hat gewartet, bis alles verstaut war.

Ich habe den Eindruck, menschendienliche Infrastruktur kann die große, weite Welt viel besser als wir im Club der führenden Industrienationen. In afrikanischen Ländern kursiert für westliche Touristen der Spruch: Ihr habt die Uhr, wir die Zeit.

Andreas Döring, langjähriger Redakteur im NDR Studio Braunschweig, arbeitet als freier Autor im Bereich Reisen und Literatur. Er hat in Windhoek, Namibia, bei 30 Grad im Schatten die Weihnachtssendungen für das deutschsprachige Radioprogramm produziert, in Sambia Dorfschulkinder unterrichtet und ist als Literaturlektor auf Expeditionsschiffen durch Mittelmeer, Karibik und Südsee gefahren. Seine Reisenotizen hat er für uns zu kleinen Geschichten verarbeitet. Döring wurde mehrfach für seine Arbeiten ausgezeichnet, hatte bis 2020 einen Lehrauftrag für Kultur- und Reisejournalismus an der Faber-Castell Akademie und ist in Lesungen auf englisch und deutsch zu hören.

Text und Foto von Andreas Döring

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