Die Fruit Logistica, vom 8. bis 10. Februar auf dem Berliner Messegelände ausgerichtet, befindet sich weltweit auf der Überholspur. Sie ist die führende Fachmesse für den globalen Fruchthandel. Und außerdem bildet sie, so wird mit berechtigtem Stolz medial verkündet, die gesamte Wertschöpfungskette der Obst- und Gemüsebranche ab. Sie reicht vom Erzeuger bis zum Verkaufs- bzw. Einkaufsort oder Point of Sale, wie es neuhochdeutsch in der Werbesprache heißt. Kai Mangelberger, der Projektleiter für die Fruit Logistica konnte bereits am Vorabend der Messeeröffnung bei einem internationalen Media-Briefing imposante Zahlen nennen. Die diesjährige auf 2.610 gewachsene Zahl von Ausstellern aus 92 Ländern (im Vorjahr waren es 1.997 Aussteller aus 87 Ländern) können sich vom 8. bis 10. März auf Einkäufer und Fachbesucher aus 140 Ländern (!) freuen. Die Messe, die im Vorjahr bedingt durch Corona-Maßnahmen im April stattfand, kehrt nun wieder an den angestammten Platz im Februar zurück. Immer noch ist die Erleichterung zu spüren, dass "nach der Zwangspause endlich wieder die normale Messebegegnung stattfinden kann und das ist ein sehr großes Gefühl", so Kai Mangelberger. Schließlich hat der internationale Fruchthandel Fruit Logistica, zunächst 1996 integriert in die Grüne Woche und dann ab 2004 zeitlich getrennt, schon eine gute Tradition aufzuweisen.
Plattform für neueste Information
Auch die Branche des Fruchthandels muss sich mit solchen Problemen herumschlagen wie Lieferketten, Kosteninflation, Verschiebung von Warenströmen und hohen Energiepreisen. Deshalb steht nicht nur das Geschäft ganz oben auf der Tagesordnung, sondern auch Branchen-Informationen und die Messe bietet eine Plattform für neueste Informationen. Insgesamt waren auf dem Messegelände unterm Funkturm vier Veranstaltungsbühnen aufgebaut, auf denen etwa einhundert Fach-Referenten zu Wort kommen. So präsentierten in der Halle 3.1. innovative Unternehmen eine Reihe von digitalen Themen im so genannten Smart Agri-Bereich, wozu Ernte-Roboter, Präzisionssprühdrohnen und fortschrittliche Bewässerungssysteme gehören. Im Fresh Produce Forum wurden wichtige Themen von Lieferketten bis zu den Verbraucherausgaben diskutiert. Und schließlich wurde im Future Lab dem versammelten Fachpublikum präsentiert, was für Unglaubliches mit Wissenschaft in der Zukunft alles erreicht werden kann. So soll es bald eine Maschine geben, die die Süße von Obst schmecken kann, ohne es zu berühren. Oder die Frage wird beantwortet: Haben Erdbeer-Pflanzen ein Gedächtnis zur Vererbbarkeit von genetischen Stressmustern?
Äpfel aus der Steiermark und aus Werder
Auch die organisierten Messerundgänge waren wieder mehrfach unterwegs, gut erkennbar an einer Hostess im blauen Kostüm, die gut sichtbar ein Rundgangs- Schild trägt. Einen hochoffiziellen Presserundgang absolvierte Cem Özdemir, der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, dessen erste Station nicht überrascht. Es ist die Länderausstellung der Türkei. Nach einem mehr als zwei Stunden dauernden Rundgang war die letzte Station die österreichische Steiermark mit ihren Äpfeln. Der große traditionelle Stand der Steiermark mit einem Tresen und einigen Tischen bot ein riesiges Landschaftsbild als wunderbares Fotomotiv. Auf der gegenüberliegenden Seite befand sich der Stand eines Mecklenburger Großhandels, wo ein kleines Schild auf einen Ministand aufmerksam machen wollte. Darauf stand "Frucht Werder", seit 1990 der Name eine GmbH aus dem Havelland, dem alten Obstgarten von Berlin mit dem Spruch "so nah, so gut!" Eigentlich dank sehr kurzer Transport-Wege der Äpfel ein Leitspruch der Grünen. Ich fragte nach zehn Minuten Aufenthalt des Ministers bei den Österreichern eine Mitarbeiterin aus der Begleitung des Ministers, ob Cem Özdemir nicht auch kurz bei den Obstbauern aus Werder einen Guten Tag sagen kann. "Es gibt doch so viele schöne Stände auf der Messe, die kann der Minister nicht alle besuchen." Das stimmt natürlich, alle kann er nicht besuchen.
Statistik mit Schock-Zahlen
Bei seinem Rundgang hat es der deutsche Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft auch nicht geschafft, an den Fruitnet Informationsständen und an der Bühne Future Lab vorbeizuschauen. Pünktlich zur Eröffnung der Fruit Logistica lagen dort auch wieder die neuesten Statistiken vor. Das jährlich herausgegebene European Statistic Handbook enthält sehr übersichtlich die aktuellen Import- und Export-Zahlen der Europäischen Länder für den Obst- und Gemüsehandel und eine Analyse des letzten Jahres - unter der Überschrift "Ein Jahr mit vielen Herausforderungen". Eigentlich waren die Hoffnungen für das Jahr 2022 nach der ohnehin schon schwierigen Pandemie-Zeit groß, umso schwerer traf die Branche der wirtschaftliche Schock. Die Preise für Energie und Düngemittel, aber auch für Saatgut und Pflanzenschutz stiegen stark an. Hinzu kam eine europaweite Dürreperiode im Sommer. Die Inflation erreichte ein Niveau, das die Verbraucher seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen hatten. Dabei stiegen die Kosten für die Produzenten noch viel mehr als für die Konsumenten: Während in Deutschland die Inflation für die Verbraucher in einem Jahr um 8,6 % stieg, schnellte der Erzeugerpreis-Index um 21,6 % (!) in die Höhe. Damit ist dann auch gleich der Ausblick in die Zukunft umschrieben: Das Jahr 2023 wird noch schwieriger werden, denn die Preise werden nicht nur auf Verbraucherebene weiter steigen, sie müssen auch entlang der gesamten Wertschöpfungskette bis zum Erzeuger erzielt werden. Ansonsten passiert bei den Obst- und Gemüsebauern das gleiche, was auf der Grünen Woche auch schon für die Tierhaltung beklagt wurde: Ein Massensterben der kleinen und mittleren landwirtschaftlichen Betriebe.
Deutschland Schlusslicht in Handelsbilanz der EU-Länder
Es lohnt sich in diesem Zusammenhang auch einen Blick darauf zu werfen, wie Deutschland im internationalen Vergleich dasteht. Deutschland exportiert Obst und Gemüse im Wert von 1,1 Milliarden Euro, und importiert für 11,9 Milliarden Euro und hat damit eine negative Handelsbilanz von 10.816 Millionen Euro. Das sind -0,3 % des gesamten Brutto-Sozialprodukts. In der ganzen EU hat kein anderes Land eine so schlechte Handelsbilanz für Obst und Gemüse wie Deutschland. Selbst die nordischen Länder, in denen naturgemäß die Vegetationsperiode kürzer ist und nur wenige Sorten an Obst und Gemüse überhaupt wachsen, haben eine bessere Handelsbilanz. Angesichts weiter steigender Transportkosten sollte die Frage erlaubt sein, ob man nicht viel mehr die heimischen Erzeuger unterstützen müsste, um dem Ziel einer annähernden Selbstversorgung etwas näher zu kommen. Das betrifft insbesondere die Gemüseproduktion, zum Beispiel Tomaten, Gurken, Zwiebeln, Paprika oder Salat. Insgesamt wurden 2,5 Millionen Tonnen an Gemüsesorten importiert, die man auch hier hätten kultivieren können.
Fresh und Bio allüberall
Für die Fachbesucher, wozu auch akkreditierte Journalisten gehören, präsentieren die Aussteller und Händler Obst und Gemüse in üppiger Auslage. Um das am meisten benutzte Wort streiten zwei Begriffe: Fresh und Bio. Es gibt keinen Sieger. Sehr augenfällig ist, dass mehr als vierzig Länder mit ihren Ausstellungen sogar über dem Niveau vor der Pandemie liegen. Den Platzhirsch stellt Spanien und unterstreicht damit einmal mehr seine Stellung als eine der führenden Exportnationen bei Obst und Gemüse. Insgesamt sind 279 spanische Aussteller auf mehr als 11.000 Quadratmetern Hallenfläche präsent. Auch wenn sich deutsche Obst- und Gemüsebauern tüchtig anstrengen, um das eigene Land wieder besser mit den Früchten der heimischen Erde zu versorgen, gegen die Sonne in Spanien, Italien und Griechenland werden sie allerdings immer zweiter Sieger bleiben.
Text und Fotos von Ronald Keusch