Das können wir nur unterschreiben, aber in der Schule klappt das so schon mal nicht. Wir bieten Rollenspiele und Konversation an, aber Englischlehrerin Ning muss ihr Pensum schaffen und hat sofort bemerkt, dass ihr Englisch mit unserem nicht mithält - deutsch ist artikulatorisch sehr viel näher dran am englischen als thai, lao, oder vietnamesisch mit deren vielen Vokalen und bedeutsamen Tonhöhen-Varianten. Sie tut uns leid in diesem Rollenkonflikt, aber die Kids und deren genervte Langeweile schmerzt uns eigentlich noch mehr.
Kürbis ernten statt Mohn
Also versuchen wir es auf dem Sportplatz - ohnehin Father Peters Lieblingsbühne. Jeden Nachmittag laufen wir Punkt fünf Uhr am Dorfrand auf, wo Fußballfeld, Spielplatz, Basketballecke und Badmintonnetz die Kids aller Altersstufen zusammenführen. Dagegen müssen wir anstinken. Wir bieten englische Abzählreime, Bewegungslieder wie " Head, shoulders, knees and toes", Formationstanz mit englischen Ansagen (zu "Sexbomb" von Tom Jones). Unser Fingerklatsch-Spiel, bei dem entweder das ABC oder die Zahlen bis 20 parat sein müssen, wird schon bald in sämtlichen Schulklassen gepflegt (große Rührung unsererseits). Für den größten Vokabelfortschritt danken wir Langenscheidt für diese wundervollen Bilderkarten mit Haushaltsgegenständen, Möbeln, Kleidungsstücken. Schon in der zweiten Woche kennen die Kids alle auswendig und ich schleife nur noch hartnäckig die Aussprache: "trousers" ist schwer, "toothbrush" der Knaller.
Segen zum Uni-Abschluss
"Am Ende seid ihr doch nur Babysitter und das ganze bringt nur Euch was, eurer westlichen Neugier auf unverbrauchte Erlebnisse" sagt Rasmus, der Holländer. "Die wollen nix lernen. In den 15 Jahren, die ich hier lebe, hat mich noch nie jemand gefragt, ob ich irgendwem englisch beibringen könnte. Macht euch nichts vor, hier bewegt sich nichts! Und die Lehrer in den Schulen? Die sind doch stinksauer, dass sie hierher abgeordnet wurden, an den Arsch der Welt, zu den Hillbillies. Die geben sich erst wieder Mühe, wenn sie nach Bangkok dürfen oder irgendwo in den Süden."
Privatstunde
Schule ist öde
Rasmus ist zynisch geworden zum Ende seiner Jahre, er liebt Orchideen mehr als Menschen. Als Atheist hat er mit dem Gros der Einheimischen aus Mueang Ngam nichts gemein, seine Frau gehört zwar zum Hilltribe der Karen, ist aber nicht katholisch, sondern Methodistin und schon früh mit ihm einige Kilometer weitergezogen. Weg von der Kirche der Unbefleckten Empfängnis. Und sie spricht, da liegt Rasmus ironischerweise richtig, englisch auch mehr schlecht als recht. Vielleicht brauchts einen längeren Atem, vielleicht mehr Empathie, sicher brauchts mehr Methode, bestimmt aber sollte man englisch proaktiv anbieten, lieber Rasmus, statt zu warten, bis jemand danach fragt.
Ausser manchmal
Sehr gedämpfter Pädagogenoptimismus also. (Vor allem sind wir nicht glücklich darüber, nicht einen einzigen Jungen erreicht zu haben in dieser traditionell männerbestimmten Welt der Karen-Gemeinschaft. Wo es zum Beispiel Frauen nicht erlaubt ist, mit Gästen des Hauses gemeinsam zu essen). Jungs sind viel zu cool zum lernen. Schade. Auch unser Privatissimum mit Wood und Thok hat nur fünf Unterrichtseinheiten erlebt: Wood erschien einfach nicht mehr, obwohl Father Peter der Familie ordentlich Zunder gegeben hat. Und Thok behauptete, sowieso nur aus Fürsorge zu Wood mitgemacht zu haben.
Überall westliche Lernmaterialien
Vokabeltest Bolzplatz
Aber es endete dann doch mit ausreichend Licht am anderen Ende des Tunnels: Father Peter nahm uns am letzten Abend mit in ein Haus, in dem er der ältesten Tochter den Segen erteilte: sie hatte gerade ihr Uni-Diplom in Marketing bekommen und dankte unter Tränen den Eltern, dem Dorf und dem HERRn für diese Chance. "Sie wird gut verdienen", sagte Father Peter auf unserem Heimweg, "aber wenn sie richtig englisch könnte, würde ihr sogar halb Asien offen stehen!" Ja.
Würfeln auf englisch. Roll the dice
"ten-evven-twell ..."
Aber womöglich wird sie sowieso irgendwann in dieses Dorf zurückkehren, Kinder kriegen und maximal ein nur mäßig erträgliches lokales Business aufziehen. Homestay oder Kunsthandwerk-Vertrieb. Dafür hätte sie nicht studieren müssen. Aber: ihre kleine Schwester war eine unserer eifrigsten Mitspielerinnen. Vielleicht geht die den entscheidenden Schritt weiter. Wer sonst, wenn nicht sie.
Text und Fotos von Andreas Döring