Viele Jahrhunderte lang hatte es der Papst im fernen Rom verboten, die Rohstoffe im Bauch des Thüringer Schiefergebirges abzubauen. Mit harter Hand schützte er so seine italienischen Fördergebiete vor unliebsamer Konkurrenz. Erst durch die berühmten 95 Thesen, die Martin Luther im Oktober 1517 an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg hämmerte, kam es zum Bruch mit dem Papst, die evangelische Kirche entstand und pfiffige Unternehmer nutzten den papstfreien Raum, um endlich das Geld bringende, begehrte "Schwarze Gold" Thüringens bergen zu lassen, Alaunschiefer.
Der Abbau in den heutigen Feengrotten begann um 1530. Das alte Bergwerk "Jeremias Glück", in dem grüne und blaue Vitriole (kristallwasserhaltige Sulfate der Metalle Kupfer, Eisen und Zink) sowie Alaun zum Gerben von Leder abgebaut wurden, geriet allerdings nach 1859 in Vergessenheit, da es der Industrie gelang, Salze dieser Art industriell herzustellen. "Jeremias Glück" fiel in einen tiefen Dornröschenschlaf. 1910 entdeckte Otto Wohlfarth, der damalige Besitzer des toten Stollen, per Zufall die Pracht aus Stalagmiten und Stalaktiten. Das mineralhaltige Tropf- und Quellwasser hatte in wenigen Jahrzehnten eine bunte, faszinierende Unterwelt geschaffen, deren Färbung nicht durch künstliche Lichteffekte, sondern durch die Oxydation der Minerale hervorgerufen wird. In kleinen Seen spiegeln sich bizarre Tropfsteine und Sinterflächen. Die Farbpalette reicht vom reinen Azurblau über Kupfergrün, Zitrusgelb, Ockerrot bis hin zum tiefen Schwarz. Pfingsten 1914 wurden die Feengrotten eröffnet. Lägen sie "in Amerika", so schwärmte der berühmte Naturwissenschaftler Ernst Haeckel 1914 nach einem Besuch, "wäre man längst aus aller Welt dorthin gepilgert."
Die Feengrotten sind auch heute die große, weltberühmte Attraktion der Stadt. Unterstützt wird die "Märchenwelt im Bauch der Erde" seit 2008 durch eine natürliche Population von Feen, die sich oberhalb der Grotten ein eigenes "Feenweltchen" erschaffen haben. Von dort aus verzaubern sie mittels Goldstaub, Lauschinseln und fantasievollen Klängen kleine Kinder und erwachsene Menschenwesen, die sich im Herzen eine Brücke in die Kindheit bewahrt haben. Darüber gerät fast in Vergessenheit, dass Saalfeld mit seinen rund 25 000 Einwohnern mehr als nur "Feengrottiges" zu bieten hat. Zum Beispiel sich selbst!
Ob es sich nun um St. Johannis (um 1380) handelt, die zu den größten Hallenkirchen Thüringens zählt, um das frühere Kloster der Franziskaner (die ältesten Bauteile stammen aus dem Jahre 1300), das Schloss, die vier Stadttore oder um den "Hohen Schwarm"… Saalfeld ist ein liebenswertes Städtchen mit eigener Schokoladenfabrik, Eisenbahnanschluss und einer 1116-jährigen Geschichte. Eine gut erhaltene Stadtmauer aus dem 13./14. Jahrhundert umschließt die liebevoll restaurierte Altstadt.
Den freundlichen Einwohnern sagt man nach, neugierig auf die große weite Welt zu sein, und die eigene kleine Stadt zu lieben. Mit einem Blick in die Geschichte stellt der Gast fest, dass es das "Stättlein an der Sala" auch ohne Feengrotten zu etwas gebracht hat. Schon Kaiser Friedrich I. Barbarossa hat sich hier wohlgefühlt, hielt prachtvoll Hof und ging zur Bärenjagd. Anordnung, Größe und Form des Marktplatzes sollen auf ihn zurückgehen. Jeder, der heute gemütlich im "Kaffeehaus am Markt" sein Tässchen Kakao nebst Törtchen genießt und der Erde zuschaut, wie sie sich dreht, ist von diesem Fakt angenehm berührt. Allerdings haben zwei schlimme Stadtbrände nicht viel übrig gelassen von der mittelalterlichen Häuserpracht. Nur das romanische Turmhaus (1180), in dem sich heute die Marktapotheke befindet, stammt noch aus Barbarossas Zeit. Das schöne Rathaus (1526 - 1537) mit seinem schlanken Treppenturm, den zierlichen Erkern und den feingegliederten Giebeln entstand dagegen ca. 350 Jahre später in einer Zeit kultureller und wirtschaftlicher Blüte. Bergbau (aus 37 Stollen förderte man Kupfer- und Silbererz) und der Handel mit Tuchen machten die Stadt reich. Am linken Kielbogenportal des städtischen Regierungssitzes finden wir eine Zeugin jener Zeit, die Saalfelder Elle, mit der im Tuchhandel gemessen wurde. Das "Maß aller Dinge" ist 56,6 cm lang und galt nur in den eigenen Mauern. Jede Stadt hatte ihre spezielle Elle. Interessant ist auch ein Turm, "Hutschachtel" genannt, der im Innenhof des Rathauses steht. In dem einstigen Amtsgefängnis werden heute wertvolle Akten "gefangen" gehalten. Eine gute Maßnahme angesichts der Tatsache, dass die höchste Daseinsform einer Akte bekanntlich die verschwundene ist.
Fazit: Auch ohne die Feengrotten ist Saalfeld eine Reise wert. Ob es nun um die stolze Stadtkirche St. Johannis (um 1380) geht, die zu den größten Hallenkirchen Thüringens zählt, um das frühere Franziskanerkloster (seine ältesten Bauteile stammen aus dem Jahr 1300), das Schloss oder um die vier Stadttore… Saalfeld wird seinem Ruf gerecht, die "steinerne Chronik Thüringens" zu sein.
Text und Fotos von Bernd Siegmund. Mehr Reise-Informationen gibt es bei Saalfelder Feengrotten und Tourismus GmbH