Doch er sieht kein Meer, sondern den Berzdorfer See und er hat nicht auf einem Kreuzfahrtschiff gebucht, sondern in dem Hotel "Insel der Sinne" in der Oberlausitz. In der unteren Etage hat der Hotelgast aus seinem Zimmer sogar den direkten Zugang zum Wasser. "So wollte ich das immer haben", bekennt Ina Lachmann. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Henry Hedrich haben sie beide ihren großen Traum Wirklichkeit werden lassen. Sie bauten ein Hotel aus Holz und Glas auf der Halbinsel des Berzdorfer Sees und nannten es "Insel der Sinne". Es ist nicht nur ein bezauberndes Quartier, sondern kann auch viel über die Region und ihre Menschen erzählen.
Die Hoteliers
Es klingt im ersten Moment wie eine Geschichte aus dem Kapitel "mutiger Unternehmergeist". Vor 20 Jahren reiste ein junges Ehepaar durch Deutschland und war sogar im Ausland auf der Suche nach einem schönen Ort, um dort ein Hotel, ihr Hotel, zu bauen. Ina aus der sächsischen Kreisstadt Radeburg hatte in Leipzig ihr BWL-Studium absolviert und ihr Ehemann Henry hatte sein Medizinstudium abgeschlossen und arbeitete auf dem Gebiet Innere Medizin und als Hausarzt in einer Praxis. Schließlich fanden die beiden waschechten Sachsen vor zehn Jahren den Ort, um ihren Traum zu verwirklichen. Nicht irgendwo, sondern in ihrer Heimat, am Ufer eines gefluteten riesigen Braunkohlen-Tagebauloches, das über viele Jahre erfolgreich renaturiert wurde. Entstanden ist ein See mit einer Wassertiefe bis zu 72 Metern und einer Fläche von 960 Hektar. Das saubere klare Wasser des Sees sorgte dafür, dass sich viele Arten von Fischen und Wasservögeln ansiedelten. "Ganz wichtig war für uns, dass wir beim Bau unseres Hotels genügend Freiraum für unsere kreativen Ideen bekommen", formuliert Ina Lachmann ihr Credo für das Bauen. Die ansässigen Ämter mit ihrer unvermeidlichen Bürokratie mussten Entscheidungen treffen für einen Standort, den es bislang noch gar nicht gegeben hatte. Wohl ungezählt sind die Termine im Rathaus und Behörden und die Planungs-Runden. Ina Lachmann richtet ein kleines Büro im Container an der Baustelle ein. Schließlich konnte das neue Hotel im Juli 2018 eröffnet werden.
Das Hotel zum Wohlfühlen
Als in der ersten Planungsphase das Hotel-Grundstück von der Lausitzer und Mitteldeutschen Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (LMBV) erworben wurde, erhielten die Bauherren auch die Sondergenehmigung, ganz nah am Wasser des Sees zu bauen. Gerade diese Lage ist maßgeblich für die Attraktivität. Wo gibt es schon so etwas, dass der Hotelgast aus seinem Zimmer über eine Treppe in wenigen Metern mit den Füßen im See steht. Von den 46 Zimmer schauen 40 zur Seeseite und sogar ein schmales Fester erlaubt aus der Dusche im Badezimmer den Blick aufs Wasser. Der Spa-Bereich setzt ebenfalls auf Seeblick, von der Sauna aus, aber auch vom Panorama-Ruheraum. 46 Mitarbeiter hat das Hotel, darunter auch polnische und tschechische Angestellte. Ina Lachman rechnet auch mit vielen Gästen aus den Nachbarländern. Das Hotel wolle sich sprachlich darauf einstellen, das sei eine Form von Höflichkeit und Respekt. Die Standard-Doppelzimmer bieten mit der Größe von 40 Quadratmetern viel Raum zum Entspannen. Überall in der Hotelanlage ist die Anlehnung an den nordischen Stil und eine offene Bauweise zu erkennen. Die meisten Räume wie Bibliotheks- und Kaminzimmer und der hoteleigene Spa-Bereich sind den Hotelgästen vorbehalten. Nicht so das hoteleigene Restaurant mit weitläufiger Terrasse direkt über dem Wasser. Segler können ihr Boot am Steg festmachen und vom Wasser aus ins Restaurant kommen. Wie professionell die Hoteliers ausgerichtet sind, zeigt sich auch an der Wahl ihres Geschäftsführers. Sie betrauten mit dieser Aufgabe Conrad Schröpel, der zuvor im Kempinski in Leipzig, einem Luxushotel in Salzburg und danach 14 Jahre lang in einem Wiener Hotel als Manager arbeitete. Er ist ein gebürtiger Oberlausitzer. In rund drei Jahren sollen im zweiten Bauabschnitt noch ein 1.000 Quadratmeter großer öffentlicher Wellnessbereich sowie 16 Ferienhäuser hinzukommen.
Die Stadt Görlitz
Eine große Trumpfkarte für das neue Hotel im Naturparadies ist zugleich die Nähe zu Görlitz, für viele die schönste Stadt in Deutschland. In nur wenigen Autominuten vom Hotel entfernt, kann der Besucher einen Spaziergang durch ein städtebauliches Gesamtkunstwerk unternehmen. Die günstige Lage an den Handelswegen im Mittelalter und der Aufschwung mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert bescherten Görlitz heute eine prachtvolle Innenstadt. Etwa 4.000 denkmalgeschützte Häuser kann die Stadt aufweisen. Die Baustile von Renaissance, Barock und Gotik sind hier auf engstem Raum versammelt. Beeindruckend sind eine Reihe von bogenförmigen Bauteilen, kleinen Schwibbögen über den Gassen der Altstadt, die zusätzlich die Häuser abstützen. Faszinierend die gesammelten Schätze im Schlesischen Museum und die Bibliothek im Barockhaus.
Die Existenz dieser imponierenden Stadtkulisse hat sich bereits vor langer Zeit auch bei der Filmindustrie bis nach Hollywood herumgesprochen. Görlitz bekam den Ritterschlag als Drehort hochrangiger internationaler Spielfilme. Da verwandelte sich das alte Kaufhaus, das seit der Hertie-Pleite leer steht, kurzerhand in das "Grand Budapest Hotel". Görlitz war das Paris des 18. Jahrhunderts in "In 80 Tagen um die Welt" mit Jackie Chan, das Heidelberg der 1950er Jahre in "Der Vorleser", diente als Filmkulisse in Quentin Tarantinos "Inglourious Basterds" (mit seinem absichtlich falsch geschriebenen englischen Titel). Außerdem avancierte die Stadt zum Treffpunkt internationaler Stars wie Tilda Swinton und Edward Norton.
An den östlichen Rand von Deutschland rückte Görlitz erst nach dem Ende des zweiten Weltkrieges. als die Neiße hier Staatsgrenze wurde. Der Fluss teilt nun auch die Stadt. Heute spaziert der Besucher über eine Fußgängerbrücke in den kleineren östlichen Teil Zgorzelec. So präsentiert sich Görlitz als deutsch-polnische Stadt.
Der Riesenbagger als technisches Denkmal
Ganz oben auf der Liste der Ausflugsziele, nur wenige Kilometer vom Hotel "Insel der Sinne" entfernt, steht der Schaufelradbagger SRs 1200. Als im Jahr 1997 der Braunkohlentagebau eingestellt und das Kraftwerk vom Netz genommen wurde, erhielt der 40 Jahre alte 35,5 Meter hohe Stahlkoloss eine neue Aufgabe. Der Verein bergbaulicher Zeitzeugen organisiert im Zeitraum von April bis Oktober sachkundige Führungen. So zeigt der frühere Tagebau-Elekriker Jürgen Kleeof jetzt Touristengruppen dieses technische Denkmal und kann jede Mengen Geschichten rund um die Braunkohle erzählen. So waren insgesamt 20 Maschinen im Berzdorfer Tagebau im Einsatz, jedes Großgerät hatte eine Leistung von 1.650 KW und bei den polnischen Nachbarn in Turow wird auch heute noch Braunkohle gefördert. Dann führt er seine Besucher bis zum höchsten Punkt des Baggers, von wo man bei guter Sicht bis zum Riesengebirge mit Schneekoppe schauen kann.
Auf einem Transparent am Ausstellungsgelände des Baggers wird ein Streit um den Namen des nahen Sees ausgetragen. Die Bergleute im Verein setzen sich dafür ein, dass der See, der als ein Ergebnis ihrer jahrzehntelangen Arbeit im Tagebau Berzdorf entstand, seinen Namen behält. Die Tourismuswirtschaft möchte dem See den Namen Görlitz geben, um mit dieser Benennung besser dem nationalem und internationalen Tourismus eine Orientierung zu geben - nomen est omen. Beide Seiten haben nachvollziehbare Argumente.
Kommen und Loslassen
Der Besuch dieses Stahlkolosses hat für den Hotelgast "Insel der Sinne" schon einen gewisser Reiz. Denn dieser Bagger, der hier die Kohleflöze und den Abraum aus der Erde holte, schuf erst die Voraussetzung für den heutigen Berzdorfer See. Um den See entstand ein 16 km langer, größtenteils asphaltierter Rundweg, der vorbei an Badestellen, Spielplätzen und durch ein Naturschutzgebiet führt. Am Seeufer wurde ein kleiner Hafen gebaut und das Feriengebiet Blaue Lagune mit Sandstränden eröffnet. Ohne das Tagebauloch und die umfangreiche Renaturierung gäbe es auch das neue Hotel "Insel der Sinne" nicht. Noch vor 25 Jahren brachen die Schaufelrad-Riesen mit Kraft und Lärm in die Erde. Und heute verkünden die Hoteliers für ihr Hotel die "Leichtigkeit des Sein". Sie haben einen Ort zum Wohlfühlen geschaffen. Ina Lachmann: "Die Hotelgäste sollen kommen und loslassen können." Ganz ohne Zweifel werden das künftig viele tun wollen.
Text und Fotos von Ronald Keusch mit Fotos von Paul Glaser (2)