Auf Spurensuche im Luther-Jahr

Unterwegs zwischen Elbe und Elster zum Reformationsjahr 2017.
Foto von Ronald Keusch
Foto von Ronald Keusch

Das Elbe-Elster-Land zeigt sich seinen Besuchern als relativ flache Landschaft, geprägt durch kleinere Hügelketten, Flüsse und Seen mit Auenlandschaften in den Flussniederungen und ausgedehnten Waldgebieten. Eine Region, die ihren Charme erst auf den zweiten Blick offenbart und auch für den Tourismus nicht im Mittelpunkt steht. Das soll sich jetzt ändern, so bekunden die Tourismus-Manager vor Ort und an ihrer Spitze der verantwortliche Landrat Christian Heinrich Jaschinski, der die Zielvorgabe wagt: "Wir wollen im Jahr 2017, dem großen Jubiläumsjahr der Reformation, ein neues Kapitel im Tourismus aufschlagen und einen Zuwachs an Gästen von 15 bis 20 Prozent erreichen." Zwar denkt jeder beim Namen von Martin Luther an Wittenberg, wo er seine Thesen öffentlich machte und manchem fällt das Versteck von Luther auf der Wartburg bei Eisenach ein.

Reisepass zu Luther

Zum Luther-Jubiläum macht der Landkreis Elbe Elster seine Besucher mit den Stätten der Reformation rund um Wittenberg vertraut, in dem allen Interessierten ein Begleiter und Motivator direkt in die Hand geben wird: ein Luther-Pass. Im handlichen Format einer Brieftasche informiert der Pass zunächst auf insgesamt 35 Seiten über Spuren der Reformation in acht Städten der drei Bundesländer, Brandenburg, Sachsen und Sachsen Anhalt. Zugleich will das Reisedokument die Neugier wecken und motivieren, Schauplätze der Reformation zu besuchen. Denn in den beteiligten acht Städten kann der Passbesitzer sich individuell gefertigte Stempel in den Pass geben lassen und seine Reise dokumentieren. Die Pässe werden in den Touristikinformationen, in vielen Museen und auf Messen in Berlin ausgegeben. Übrigens kann jeder Gast, der sich seine acht Stempel abgeholt hat, an einem Gewinnspiel beteiligen. Ausgerüstet mit dem Luther-Pass findet der Reisende viele spannende Stationen und Wege der Reformation gerade zwischen Elbe und Elster.

Die Residenz Torgau

Bei der Fahrt über die Elbe hinein in die Stadt liegt Schloss Hartenfels geradezu majestätisch im Blickfeld. Direkt an der Altstadt gelegen ist Schloss Hartenfels das Wahrzeichen und auch der Stolz von Torgau. Immerhin gilt Hartenfels als das erste und einzige gut erhaltene Schloss der deutschen Früh-Renaissance. Es ist eine Augenweide, im weiträumigen großzügig angelegten Schlosshof zu flanieren. Da erhebt sich der imposante Große Wendelstein, eine dem Schloss vorgelagerte Wendeltreppe. Weiterhin gehören zum Bauensemble der Hausmanns-Turm und ein kunstvoll gestalteter schöner Erker am Kapellen-Flügel. Viele Jahrzehnte umfassender Renovierung haben sich gelohnt. So ist hier die frühere Residenz von kursächsischen Fürsten mit einer prachtvollen Architektur wieder erstanden, die den Machtanspruch des protestantischen Herrschers zeigte. Der Hausherr Kurfürst Johann Friedrich der Großmütige war nicht nur ein Fürst der Renaissance, sondern auch ein Unterstützer Martin Luthers und Förderer der Reformation. So ist in Beschreibungen und Erläuterungen jener Zeit im 16. Jahrhundert zu lesen und zu hören, dass das heute so unscheinbare Torgau zum politischen Zentrum der Reformation aufstieg. Ohne die Macht der kursächsischen Fürsten hätten sich die Ideen von Luther wohl nicht entfalten können. Der Kurfürst Johann Friedrich lässt auf Anregungen von Luther in seinem Schloss eine Kapelle bauen. Der gesamte Baukörper im Schloss-Ensemble hebt sich lediglich durch das Portal hervor, das Szenen aus der Leidensgeschichte Jesu zeigt und am rechten Portal-Sockel einen Engel mit dem Geldbeutel des Judas. Das Innere der Schlosskapelle ist im Wesentlichen so erhalten wie ursprünglich ausgeführt. Im Jahr 1544, zwei Jahre vor seinem Tod, hat Martin Luther die Kapelle eingeweiht. Der Lauf der Geschichte führte dazu, dass der Sitz der Kurfürsten und die politische Macht in die Stadt Dresden wechselte mit seinem Barock- und Rokokostil. Torgau mit vielen Häusern im Renaissance-Stil, dem Renaissance-Schloss und seiner großen Rolle bei der Reformation in Deutschland blieben erhalten.

Der Schlachtenort Mühlberg

Es gibt Dörfer und Orte, die durch wichtige militärische Schlachten eine historische Berühmtheit erlangten und in die Geschichtsbücher Eingang fanden. Des Handwerker-Städtchen Mühlberg an der Elbe gehört dazu. In der Nähe der Stadt trafen im Jahr 1547 die Heere der katholischen Allianz, unter Führung von Kaiser Karl V. sowie des protestantischen Bundes unter dem Kommando sächsischen Kurfürsten Johann Friedrich aufeinander. Die protestantischen Truppen wurden von der katholischen Übermacht vernichtend geschlagen. Zum Gedenken an dieses historische Ereignis hat sich die Stadt Mühlberg nun ein ebenbürtiges Museum zugelegt. Das nach dreijähriger Bauzeit in drei Etagen neu gestaltete Gebäude der früheren Propstei am ehemaligen Kloster trägt den Namen "Mühlberg 1547" und widmet sich ausführlich dieser Schlacht. Kaiser Karl der V. hatte in Mühlberg gesiegt. Den lutherischen Glauben konnte er aber nicht zurückdrängen. Einige Gründe dafür liefert das Museum mit dem weiteren Verlauf der Reformationsgeschichte, dem Machtspiel des Adels und des Bürgertums und dem Nachlass katholischer Besitztümer und Klöster. Der 1555 in Augsburg vereinbarte Religionsfrieden gestand den Lutheranern schließlich die freie Religionsausübung zu. Eine wahrlich spannende Geschichte

Das Kloster Marienstern

Ein weiteres Beispiel der bewegten Geschichte der Stadt Mühlberg ist das im Jahr 1228 gegründete Mühlberger Kloster Marienstern. Es verfügte über bedeutenden Grundbesitz und Wirtschaftshöfe und wurde im Laufe der Reformation aufgelöst und in ein Rittergut umgewandelt. Nach vielfachem Besitzerwechsel und dem baulichen Verfall nach der Wende hat hier der katholische Orden der Claretiner das frühere Zisterzienserinnenkloster wiederbelebt. Die Klosterkirche, eindrucksvoller frühgotischer Backsteinbau, wurde renoviert, der Kreuzgang wieder hergestellt und Klostergebäude saniert. Unter engagierter Leitung von Pater Alois Andelfinger entstand ein Ökumenisches Haus der Begegnung und Stille. Jahrespläne im Internet listen die Veranstaltungen auch im Jubiläumsjahr der Reformation auf. Da gibt es dann ökumenisches Radpilgern, Klostergespräche zu Luthers Reformen und einen Gottesdienst zu Luthers Hochzeit. Heute verfügt das Kloster über zwölf Gastzimmer, ausgestattet mit hellem Holz und praktisch ausgestattet einschließlich einem Sanitärbereich, aber naturgemäß von klösterlicher Schlichtheit. Für TV und WLAN ist hinter den Klostermauern kein Platz. Wer Besinnungswochenenden in der Fastenzeit oder Stille Tage im Kloster sucht, kann sich nach Anmeldung zu moderaten Preisen einquartieren.

Die Stadtkirche Sankt Marien

Nicht weit von Mühlberg entfernt liegt die Stadt Herzberg im Tiefland der Schwarzen Elster. Hier fand am Beginn der Reformation im Jahr 1522 der erste evangelische Gottesdienst statt. Der Philosoph und Theologe Philipp Melanchthon, neben Martin Luther eine der treibenden Kräfte der Reformation, kümmerte sich um zukünftige Lehrer, beteiligte sich an Gründungen von Schulen. In Herzberg verfasste er im Jahr 1538 eine neue Schulordnung.Mitten in der Stadt erhebt sich stolz die St.-Marien Kirche, die evangelische Stadtpfarrkirche von Herzberg. Die junge Pfarrerin Anika Scheinemann kommt ins Schwärmen: "Hier entdeckt der Besucher feinste Gotik und eine wunderschöne mittelalterliche Gewölbe-Malerei, die das Thema gestaltet: frei und erlöst Leben im Himmel." Und, so die Pfarrerin weiter, wie kann ich auf Erden frei leben, darauf gebe Luther die Antwort: "Alles, was ich tun muss, ist Vertrauen in Gott." In den wenigen Worten der Pfarrerin ein Wesensinhalt der von Luther beschrittenen Reformation. Luthers Ebenbild und das von Melanchthon, beide jeweils lebensgroß in einem Ölgemälde abgebildet, sind in der Kirche aufgehangen. In den Bildern wird von einem Künstler der Region eindeutig dem Malstil der Cranach-Werkstatt nachempfunden. Wenn dann die getragene Musik von der großen original Rühlmann-Orgel erklingt, scheinen die Orgeltöne den Bildern von Luther und Melanchthon Leben einzuhauchen.

Ein Gedenkstein am Elbufer

Bevor der Besucher die Altstadt von Torgau erreicht, sollte er sich die Zeit nehmen für eine Station aus der jüngeren Geschichte. Ein Gedenkstein am östlichen Elbufer erinnert daran, dass hier am 25. April 1945 Soldaten der US-amerikanischen 69. Infanterie-Division und der sowjetischen 58 Garde-Infanterie-Division der 1. Ukrainischen Front zusammen trafen. Sie feierten ihren Sieg über Nazi-Deutschland. An einem Gedenkstein sind Fahnenstangen errichtet, an denen die Flaggen der USA und Russland sowie das Schwarz-Rot-Gold von Deutschland im Wind flattern, der beständig über die Elbauen bläst. Auf dem Gedenkstein stehen unter anderem in englisch und deutsch die Worte: "Hier wurde der 'Geist der Elbe' geboren, der sich an die Menschen aller Nationen wendet, Differenzen ausschließlich mit friedlichen Mitteln zu lösen. Es ist ewige Mahnung an alle Nationen, für das gemeinsame Wohl der gesamten Menschheit zusammenzuarbeiten." Gedenkstein und Fahnen wurden im April 1998 aufgestellt. Drei Jahre später hielt der Präsident der russischen Föderation im deutschen Bundestag eine Rede. Nur ein gutes Dutzend Jahre später scheinen weder die mahnenden Worte am Elbufer, noch die Tatsache, dass ein russischer Präsident im Reichstag eine Rede hält, dem heute verordneten Zeitgeist deutscher Politik und Medien zu entsprechen. Eine bittere Erkenntnis. Ab der 1. Advent-Woche dieses Jahres beginnt die Ausgabe der Luther-Pässe. Damit kann jeder seinen persönlichen Weg zu den Orten von Luthers Reformation antreten.

Mehr informationen gibt es unter lutherpass.de, torgau .de, landkreis-elbe-elster .de und medienkontor.net. Text von Ronald Keusch. Fotos von Andreas Franke und Ronald Keusch

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