Touristen haben in Tirana einen Gästebonus

Wer denkt, Tirana wäre eine Stadt auf dem Balkan, die sich noch den Schlaf aus den Augen reibt und verträumt in Richtung EU guckt, der irrt.
Foto von Bernd Siegmund
Foto von Bernd Siegmund

Bereits auf dem Weg vom Flughafen ins Zentrum kommt man an Häusern und Gebäudekomplexen vorbei, die in kein Klischee passen. Man beginnt zu ahnen, dass unsere mitteleuropäischen Vorstellungen der Wirklichkeit hinterherhinken, auf den Kontrast nicht vorbereitet sind. Vom riesigen Disney-Schloss, das ein Casino in sich verbirgt, über Hochhäuser mit bunt bemalten Außenfassaden bis hin zu kreativen, prächtigen Industrie-Monumenten. In Tirana gibt es alles. Auch den Kontrast zur eben beschriebenen Wirklichkeit. Unverputzte Fassaden, bröckelnde Häusermauern und Müll am Straßenrand. Nicht nur in den Außenbezirken, auch in den Naherholungsgebieten. Man kann ihn nicht übersehen.

Ein Höhepunkt des Stadtlebens in Tirana ist die lokale albanische Küche. Sie ist geprägt von mediterranen und orientalischen Einflüssen. Das Obst und Gemüse hat zwar kein Biosiegel, ist aber garantiert von Kleinbauern aus der Region. Es kam schon aus Kostengründen nie mit künstlichen Düngemitteln in Berührung. Beliebte Gerichte sind Burek, ein mit Käse oder Fleisch gefülltes Teiggebäck und Tavë Kosi, ein Lammgericht mit Joghurt und Gewürzen. Es ist ein Vergnügen, traditionelle Restaurants auszuprobieren und authentisches albanisches Essen zu genießen. Das eigentliche Wunder von Tirana aber ist die Freundlichkeit der Menschen. Wo immer man hinkommt, man wird angelächelt, umsorgt, zuvorkommend behandelt. Und was das Schönste ist, die Freundlichkeit hat nichts Aufgesetztes, sie kommt von innen. Touristen haben einen Gästebonus!

Für Naturliebhaber bietet die Umgebung von Tirana unzählige Möglichkeiten zum Wandern. Immer wieder tauchen jahrhundertalte knorrige Olivenbäume auf. Der Dajti Nationalpark ist einer der beliebtesten Ausflugsziele. Atemberaubenden ist Aussicht auf die Stadt und der Blick über die mediterranen Landschaft. Ein nur schwer zu ertragendes "Highlight" ist das Bunk’Art-Museum. Ein unterirdisches Atomkeller-Museum, in dem die Grausamkeiten der albanische Geschichte in den furchtbaren Jahren der Diktatur von Enver Hoxa gezeigt werden.

Von diesen schweren, furchtbaren Jahren der Diktatur ist es ein großer Sprung ins Nachtleben von Tirana. Aber ein spannendes Nachtleben gibt es tatsächlich. Im Blloku-Viertel ist es besonders spannend. Hier gibt es eine Vielzahl von hippen Bars, Clubs und Restaurants, die bis in die frühen Morgenstunden hinein geöffnet haben. Dieses Viertel gab es schon zu Hoxa‘s Zeiten, es war damals allerdings nur dem engeren Gefolge des Diktator vorbehalten. Auch heute ist das Blloku-Viertel noch das teuerste Wohngebiet in Tirana.

Leider ist auch die Kluft von geldwaschenden Neureichen und der einfach erwerbstätigen Bevölkerung tief. Wer Herzlichkeit liebt, findet sie bei den schlichten Albanern. Noch eine Besonderheit ist die Spielfreudigkeit der Albaner. Besonders die älteren Herrn, die ihr Berufsleben hinter sich haben, treffen sich an vielen Ecken der zahlreichen Parks und spielen Domino und andere Brettspiele. Wer nicht als Aktiver dabei ist, schaut zu und feuert an. Auf diese Art und Weise wird dem vorbeigehenden Passanten ein temperamentvolles Augen- und Ohren-Schauspiel geboten. Ältere Frauen hingegen sitzen gerne für einen Plausch auf den umgebenden Bänken. Immer wieder sieht man auch Bäuerinnen mit weißen Kopftuch und einem Korb voll Gemüse am Bürgersteig sitzen. Den Spinat, den sie anbieten, ist ein so würziges Grünzeug, wie man es sonst nirgendwo einkaufen könnte.

Text von Veronika Zickendraht mit Fotos von Bernd Siegmund

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