Smartphone-Trip durch die Geschichte

Cold War Museum wurde Ende November 2022 in Berlin eröffnet .
Foto von ESDES.Pictures
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Der heiße Krieg ist nach Europa zurückgekehrt. Und seit dem Februar 2022 ist das Wort Krieg in unseren Mainstream-Medien omnipräsent, und es dient auch als Erklärung für alle möglichen Probleme in unserer Gesellschaft, ob es die galoppierende Inflation ist oder der rasante Anstieg der Energie-Preise in Deutschland oder die katastrophalen Zustände im Bildungswesen und Gesundheitswesen. Die deutsche Außenministerin Baerbock hat sogar öffentlich im Europarat in Straßburg Russland den Krieg erklärt.

Symbolischer Eiserner Vorhang am Eingang

Jetzt hat der Begriff Krieg auch in der Hauptstadt der Ausstellungen Berlin Einzug gehalten. Am 26. November letzten Jahres wurde in prominenter Lage an der Straße Unter den Linden unweit vom Brandenburger Tor auf 1.600 Quadratmetern Ausstellungsfläche das Cold War Museum eröffnet. Die Reise-Journalisten von CTour organisierten für ihre Mitglieder eine ausführliche Besichtigung. Ohne Frage, wie sich schon nach einem ersten kurzen Einblick zeigt, ist dieses Museum eine Attraktion für Berlin-Touristen und für interessiertes einheimisches Publikum. Im Foyer empfängt den Besucher ein symbolischer Eiserner Vorhang - spektakulär durchlöchert mit den Porträts der Politiker, die in der Zeit des Kalten Krieges aktiv waren: Harry S. Truman, Josef Stalin, Winston Churchill, Nikita Chruschtschow, Michail Gorbatschow und Helmut Kohl. Und der besonders an jüngster Geschichte Interessierte muss sich, soviel schon vorneweg, auf einen längeren Besuch einstellen, denn: Es gibt unglaublich viel zu sehen und zu erfahren.

Museum für Touristen in prominenter Lage

Der CEO und Geschäftsführer des Cold War Museums, Carsten Kollmeier, ließ es sich nicht nehmen, die Gruppe von rund 20 CTour-Journalisten zu begrüßen. Es ist von ihm das insgesamt vierte Museumsprojekt in und für Berlin, dazu gehören das 2021 gegründete Spy-Museum, heute Deutsches Spionage Museum, und das Samurai-Museum. Damit sind Kollmeier und sein Team zweifellos die derzeit am meisten angesagten Museumsmacher in der Hauptstadt. Mit diesem Image erhielt er vom Eigentümer des Wohnkomplexes, dem Unternehmen Münchener Rück, das Angebot, für diese Berliner Immobilie mit namhafter Adresse Unter den Linden etwas Hochkarätiges einzurichten. Es wurde die Idee des Kalten Kriegs Museums entwickelt, so berichtet Kollmeier. Denn es habe sich gezeigt, dass sich das Spionagemuseum bereits zu mehr als einem Drittel mit dem Kalten Krieg beschäftigte. Auch das kleine schon existierende Museum am früheren Check Point Charlie, dem berühmten Kontrollpunkt des Grenzüberganges zwischen Ost-Berlin Mitte und West-Berlin Kreuzberg, war mehr ein Platz der Erinnerung zur Berliner Mauer als ein Museum. Als großen Vorteil des Museums bezeichnete Kollmeier, dass die Ausstellung sich nicht auf Themenbereiche festlegt, sondern so genannte Präsentations-Einheiten darbietet. Sie können weiterentwickelt oder komplett ergänzt oder ausgetauscht werden, wenn sich andere spannende und aussagekräftige Exponate anbieten.

Modell der Atombombe "Fat Man"

Ein unverzichtbares Beispiel für ein Exponat ist das 1-zu-1 Modell der Atombombe "Fat Man", die am 9. August 1945 von einem US-amerikanischen Bomber über Nagasaki abgeworfen wurde. Sie hat einen schönen gelben Farbanstrich mit Signalfarben, erläutert Kollmeier. Aber Warum? "Damit man von unten besser sieht, was da von oben kommt? Mehrere hunderttausend Menschen sind gestorben und der Bombenabwurf hat mit der atomaren Abschreckung den Kalten Krieg eingeläutet." Ein anderes Exponat zeigt den echten Steuerknüppel aus der Apollo-Rakete, die bei der Apollo-Sojus-Mission im Juli 1975 im Einsatz war. Damals schüttelten ein Amerikaner und ein Russe im All einander die Hände. Ein historischer Augenblick, der beide Länder für einen Wimpernschlag der Geschichte näherbrachte, wie auf der Website vom Museum erklärt wird.

Jeder soll sich selbst seine Meinung bilden

Wir wollen nicht vorrangig Geschichten erzählen, die ein Narrativ bedienen, so Kollmeier, sondern unser Konzept besteht darin, dass die Besucher durch Fakten, die im Vordergrund stehen, sich selbst eine Meinung bilden können. Hier will man ganz offensichtlich der Versuchung der Propaganda mit der Einordnung in Gut und Böse widerstehen und ein annähernd neutrales Bild liefern. Kollmeier resümiert, dass sich das Museum bisher noch nicht mit Beschwerden herumschlagen musste, und das zeige auch, "dass unser Museumsteam ein gutes Fingerspitzengefühl bewiesen hat". Selbstbewusste Museumsmacher einer privaten Einrichtung müssen sich eben nicht manchen Vorgaben beugen, denen staatliche Museen ausgesetzt sind. Hier ist kein Ort, wo Russophobie-Anhänger und Antikommunisten (Wo im Osten Europas sind Kommunisten an der Macht?) sich mit gar "schröcklich" aufgeblähten Fakten ihre Gesinnung aufladen können. Das Museums-Team präsentiert professionell, der Wirklichkeit verpflichtet, den Kalten Krieg und nimmt sich dazu viele Freiheiten. Ich habe hier keine aufgeblasenen Sprechblasen von Parteigängern entdeckt, die den politischen Eliten gefallen wollen. Natürlich ist die Ausstellung auch ausgerichtet auf die Maßstäbe eines internationalen Publikums. Carsten Kollmeier: "Bei unseren nationalen wie internationalen Gästen wollen wir Interesse wecken an diesem spannenden Kapitel der Geschichte. Wir wollen unsere Besucher motivieren, tiefer einzusteigen."

Immer am Rande des heißen Krieges

Der Kalte Krieg immer am Rande zum heißen Krieg mit Präsentationen zur Berlin-Blockade, des Korea- und Vietnam-Krieges, der Kuba-Krise, des NATO-Doppelbeschlusses. Dabei erreicht der Kalte Krieg auch den Sport mitsamt der Olympischen Sommerspiele, die sich u. a. in einem Boykott 1980 in Moskau und einen Gegenboykott 1984 in Los Angelos widerspiegeln.

Besucher erleben ein High Tech Museum 4.0

Das Cold War Museum ist mit seinen vielen Informationen in Text, Bild, Animationen. Dokumentarfilmmaterial und Zeitzeugenvideos säuberlich akkurat sortiert auf unzähligen Touch-Bildschirmen. Mit dem Smartphone navigieren die Besucher durch das Haus. Über einen QR- Code kann der Audioguide aktiviert werden. Es ist laut Selbstaussage auf der Website ein High Tech Museum 4.0. Damit soll besonders die junge Generation angelockt werden. Ein Wunschtraum von Museumsmacher Kollmeier: Der Großvater mit seinen erlebten Geschichten und der Enkel mit seiner IT-Kenntnis sollten idealerweise zusammen die Ausstellung besuchen.

Virtuelle Reality zu einem berühmten Fluchtfoto

Selbstverständlich zählt zu den Hauptthemen des Kalten Krieges auch die deutsch-deutsche Grenze. Hier darf die Virtuelle Reality (VR) Präsentation mittels einer VR-Brille nicht fehlen. Beim Journalisten-Rundgang wurde uns das Geschehen im August 1961 präsentiert. Der DDR-Grenzpolizist Conrad Schumann in Uniform und einer Waffe in der Hand sprang über ein provisorisches Stacheldrahthindernis. Einem Westberliner Fotografen gelang der Schnappschuss und dieses Foto wurde betitelt als Sprung in die Freiheit. Mit einer VR-Brille kann der Besucher in je fünf Minuten drei Videosequenzen mit Ton aus drei unterschiedlichen Perspektiven sehen, die vom flüchtenden Grenzpolizisten, von dem Westberliner Fotografen und von der Ostseite der Grenze. Die fiktiv gedrehten Bilder und der fiktive gedankliche Text sind zwar nachempfunden, aber sehr wirklichkeitsnah. Nach dem Bau der Mauer verlief dann die Grenze zwischen Ost- und Westberlin entlang der Bernauer Straße mit einem Bürgersteig im Osten und einem im Westen.

Flüchtlings-Schicksal und Selbstschussanlage

Zur wirklichkeitsnahen Darstellung der Museumsmacher gehört hier auch, dass das Schicksal des geflüchteten Grenzpolizisten nicht zum strahlenden Helden verklärt wird. Es wird seine Angst gezeigt und sein weiterer Werdegang nicht verschwiegen. Er hat 1998 im Alter von 56 Jahren Selbstmord begangen. Der österreichische Deutschland Korrespondent Ewald König hat in seinen Büchern der Wendejahre auch über dieses Schicksal des Grenzpolizisten geschrieben. Ebenfalls zum Thema deutsch-deutsche Grenze gehört das Exponat einer Selbstschussanlage. Den Museumsmachern gelang es, ein solches Gerät zu beschaffen und hier auszustellen. Immerhin sind in den 70er Jahren diese Todesanlagen in einer Stückzahl von 70.000 an der Grenze installiert worden. Nach der Präsentation in der internationalen Öffentlichkeit wurden sie von der DDR wieder abgebaut.

Aufklärende Videos über ein nukleares Inferno

Im Cold War Museum können sich heute vor allem die heißen Krieger angesichts der grausigen Filmaufnahmen über die Wirkung von Atomwaffen vielleicht etwas abkühlen. Hier wird eindrucksvoll vorgeführt, zu welchen katastrophalen Auswirkungen ein Krieg mit Nuklearwaffen führt. Ein anderer Ort für solche Abkühlung ist ebenfalls 2000 Kilometer von hier entfernt in Moskau zu besichtigen. Hier befindet sich in 65 Meter Tiefe der Atombunker einer früherer Kommandozentrale der Sowjetarmee, in dem 2006 ebenfalls ein Museum des Kalten Krieges eingerichtet wurde. Beim Rundgang werden hier auch sehr eindrucksvolle Videos gezeigt über die Simulation eines Nuklearangriffs mit den Auswirkungen von Atombomben, wenn sie bei nur kurzen Vorwarnzeiten auf Städte und Siedlungen fallen. Dazu heulen dann einige Momente Sirenen und das Licht wird gelöscht, bis auf einige flackernde Lämpchen. Jeder, der es in Berlin wie Moskau wissen will, wie das Inferno eines Atomkrieges aussieht, hat nun in beiden Städten die Möglichkeit dazu.

45 Jahre Kalter Krieg auf 1.600 Quadratmetern

Insgesamt umspannt das Cold War Museum fast 45 Jahre Kalten Krieg zwischen Ost und West. Den offiziellen Startschuss lieferte, so die Historiker, die Verkündung der Truman-Doktrin am 12. März 1947 durch den damaligen US-Präsidenten. Truman ist auch für die beiden US-Atombomben-Abwürfe im August 1945 auf bewohnte Großstädte in Japan verantwortlich, ein Kriegsverbrechen ersten Ranges. Das Ende des Kalten Krieges wurde im Dezember 1991 durch den endgültigen Zerfall der Sowjetunion markiert. Der derzeitige Zuspruch ist noch bescheiden und lag im Dezember bei ca. 6.000 Besuchern. Die Hauptbesucherzeit liegt, so Kollmeier, zwischen März und Oktober. Und das Ziel der Museumsmacher besteht darin, zu den Top 10 der Berliner Museen zu gehören, das heißt etwa 500.000 Besucher im Jahr.

Fernschreiber für den heißen Draht zwischen Ost und West

Auf ein Exponat sind die Museumsmacher besonders stolz. Es ist der Fernschreiber aus dem Herstellerverbundnetz von Rundfunk- und Fernmeldetechnik RFT Dresden aus der DDR. Er kam nach der Kubakrise zwischen Ost und West als "heißer Draht" zum Einsatz. Der technische Fortschritt für eine schnelle gegenseitige Information ist heute unvergleichlich gewachsen. Immerhin haben auch in Zeiten des Kalten Krieges Politiker aus beiden Systemen Verantwortung bewiesen und die Entspannungspolitik in Gang gesetzt, die in der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) ihren Höhepunkt fand. Die Menschheit kann nur hoffen, dass diese Verantwortung für das Überleben der Welt aus der Zeit des Kalten Krieges die derzeit ständig erklärte Zeitenwende überdauert hat.

Text von Ronald Keusch mit Fotos von ESDES.Pictures

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