Petersburg - Deine Parks

Impressionen aus der Weltstadt der Touristen im Norden Europas an der Ostseeküste.
Foto von Ronald Keusch
Foto von Ronald Keusch

Diesen beiden Männern ist in Petersburg nicht zu entkommen. Zum einen Peter I., dem Begründer und Erbauer der Stadt an der Newa, die sich auf 42 Inseln ausdehnt und deren Wasserstraßen von 300 Brücken überspannt werden. Und das ist zum anderen der von den Russen hochverehrte und bewunderte Dichter Alexander Puschkin, der hier lange lebte und die Zeit der Sommersonnenwende von Mitte Juni bis Anfang Juli in seinen Versen als berühmte Petersburger "Weiße Nächte" feierte.

I. Der Reiter im Alexandergarten


Denkmal Peter I.

Bis an die Newa heranreichend erstreckt sich auf neun Hektar der Alexandergarten. Gleich neben der Admiralität gelegen, steht ein imposantes Denkmal von Peter I. Er sitzt auf einem Pferd und unter den Hufen zermalmt er eine lange Schlange, ein Symbol für den Sieg Russlands über die Schweden in der Schlacht von Poltawa im Jahr 1709. Das Denkmal steht auf einem riesigen Findling, der in der Umgebung von Petersburg gefunden und hierher geschleppt wurde, eine technische Meisterleistung zu jener Zeit. Katharina II. ließ dieses Denkmal 1782 errichten anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Machtübernahme von Zar Peter. Und auf den Steinsockel ließ sie auch ihren eigenen Namen setzen.


Abend im Alexander-Garten


Isaak-Kathedrale im Abendlicht


Peter und Paul Festung

Der Blick von Peter I. ist auf die andere Uferseite der Newa gerichtet. Dort am Universitätskai aufgereiht sind die Kunstkammer, daneben das Kollegiengebäude der Universität und dann das Menschikow-Palais. Nicht weit davon entfernt, auf der damals sumpfigen und unbewohnten Haseninsel inmitten der Newa, hat er die Peter-und-Paul-Festung errichten lassen. Zunächst wurden nur Erdwälle aufgeschüttet und Befestigungen aus Holz gebaut. Später wurde die Festung aus Stein in einem langgezogenen Sechseck mit dicken Mauern errichtet, die von der Peter-und-Paul-Kathedrale überragt wird. Sie gilt als der Ursprung der heutigen 5-Millionen-Stadt Petersburg. In den warmen Sommertagen finden sich hier neben dem Denkmal auf den weitläufigen Rasenflächen viele Petersburger auf Liegedecken ein und schauen wie er auf die Newa.

Volksfest auf dem Wasser


Brückenfahrt auf der Newa

Gleich neben der Admiralität befinden sich die zentralen Schiffsanlegestellen. Besonders begehrt sind die Schiffstouren zu den weißen Nächten. Sie beginnen erst nach Mitternacht und bieten das große Schauspiel von den sich nacheinander vollziehenden Öffnungen der großen Fluss-Brücken für Frachtschiffe.


Brückenfahrt auf der Newa

Das Fahrgastschiff, auf dem ich an Bord bin, fährt erst kurz vor ein Uhr los. Für Unterhaltung zu Essen und Trinken sorgt ein Jazz-Musiker mit seinem Saxophon. Von Deck des Schiffes ist ein nahezu unbeschreibliches Schauspiel zu beobachten. Nicht etwa nur Dutzende, sondern mehrere hundert Motorboote, ganz kleine, größere und noch größere mit Gästen fahren auf der Newa und drängeln sich vor und hinter den Brücken um die besten Plätze. Alle wollen sehen, fotografieren und filmen, wie die beleuchteten Brückenarme langsam nach oben schwenken, um dann bis fünf Uhr größeren Frachtkähnen die Durchfahrt zu gewähren. Unser Schiff ist rechtzeitig vor der Öffnung der ersten Brücke, der Palastbrücke am Winterpalais, vor Ort und sichert sich einen guten Beobachtungsplatz. Natürlich auch Gedränge auf dem offenen Deck. Aber jeder findet sein Plätzchen. Kaum ist die erste Brücke offen, fahren alle mit Vollgas zur nächsten und das Schauspiel wiederholt sich. Als wir schließlich die vierte Brücke erreichen und gegen 2.30 Uhr die Rückfahrt antreten, hat sich das dichte Feld der Boote längst gelichtet. Bei Sonnenaufgang sind wir wieder am Kai. Eine riesige Show in den kurzen weißen Nächten, ein Volksfest auf dem Wasser.

Spaziergänger auf dem Panzerkreuzer Aurora


Panzerkreuzer Aurora

Der Alexandergarten grenzt an einer Seite an die berühmte prunkvolle Isaak-Kathedrale. Sie ist die größte Kirche der Stadt, eine der größten Kathedralen der Welt und eine architektonische Meisterleistung. Gleich neben der Isaak-Kathedrale starten die Hop-On Hop-Off Busse zur Stadtbesichtigung. Hier werden dem Besucher wie internationale üblich, eine Fülle von Sehenswürdigkeiten präsentiert, zugleich wird der Betrachter immer wieder von der Zeitgeschichte eingeholt. Eine Tour führt auf die andere Uferseite der Newa den Universitätskai entlang. Genau gegenüber vom Denkmal Peter I. ist ein überdimensional großes Buch aus hartem Granit-Stein offen aufgeschlagen. Es sind Zeilen des Dichters Puschkin zu lesen aus seinem Poem "Der eherne Reiter". Kein anderer ist gemeint als Peter I. Die achte Station der Bustour ist besonders begehrt und es steigen viele Fahrgäste aus. Hier hat die berühmte "Aurora" festgemacht, der Panzerkreuzer, dessen Kanonenschuss im Jahr 1917 das Signal gab zum Sturm auf das Winterpalais, den Sitz der damaligen provisorischen Regierung. Damit schrieb der Kreuzer Geschichte. Die Kanonenrohre scheinen nicht mehr drohend, denn sie sind umringt von den hochsommerlich gekleideten Besuchern, die mit Kind und Kegel auf dem Deck des Panzerkreuzers herumspazieren. Auch knallige Sonne mit 30 Grad Mittagshitze lässt die Schlange vor dem Kassenhäuschen nicht kleiner werden. Vielleicht zeigt sich darin ein Wunsch nach einem erneuten Kanonendonner, um so manches in der Gesellschaft zu revolutionieren.

 

Der Rossbändiger auf der Anitschkow-Brücke


Rossebändiger auf der Anitschkow-Brücke

Eine zweite Bustour führt den Newski-Projekt entlang, die berühmte Einkaufsstraße mit vielen barocken und klassizistischen Bauten aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Da fährt man auch an dem Literatur-Café vorbei, in dem Puschkin verkehrte und am Café Singer gegenüber der Kasaner Kathedrale. Der Bus passiert auch das Einkaufszentrum Gostiny Dwor, Handelsplatz und Warenhaus seit dem 18. Jahrhundert. Petersburg war und ist ein wichtiges Verbindungsglied zwischen Europa und Asien, damals wie heute und künftig, egal, ob es den EU-Bürokraten in Brüssel in den Kram passt oder nicht. Ein beliebtes Fotomotiv des Newski-Prospekts ist die über den Fontanka-Kanal führende Anitschkow-Brücke mit der vom russischen Bildhauer deutscher Abstammung Peter Clodt geschaffenen Figurengruppe der "Rossebändiger". Das Thema der Zähmung des wilden Pferdes ist dabei nicht als einmaliges Ereignis konzipiert, sondern als eine Abfolge vom Beginn der Zähmung bis zur vollständigen Unterwerfung des Pferdes unter den Menschen. Die Statuen stehen auf massiven Granitsockeln und waren während der Belagerung von Leningrad im Garten des benachbarten Anitschkow-Palais vergraben, wodurch sie unversehrt blieben. Die Anitschkow-Brücke stand dagegen während der Belagerung unter starkem Artilleriefeuer. Nach dem Krieg wurde beschlossen, die Granatsplitter auf den Granitsockeln als Mahnmal für die Verteidigung von Leningrad zu erhalten. Eine Plakette auf dem Sockel der nordwestlichen Skulpturengruppe erinnert daran: "Dies sind die Spuren von einer der 148.478 Granaten, die von den Nazis auf Leningrad abgefeuert wurden". Übrigens sind zwei der Rossebändiger auch im Berliner Kleistpark zu bewundern. Dies ist dem Umstand zu verdanken, dass Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. 1842 in Petersburg zur Silbernen Hochzeit des Zaren Nikolaus I. mit seiner Schwester (vormals Prinzessin Charlotte von Preußen) weilte. Er war von den Statuen so begeistert, dass Nikolaus I. sie ihm direkt vom Hof der Gießerei übergab. Sie hatten lange Zeit auf der Lustgartenseite vor dem Berliner Schloss ihren Ehrenplatz, bevor sie von den Alliierten 1945 zum Kammergericht am Kleistpark gebracht wurden, wo sich der Kontrollrat der Siegermächte befand.

Warnung vor feindlicher Artillerie

Weiter mit der Tour auf dem Newski-Projekt. Ein Gebäude mit der Aufschrift 1939 trägt noch ein historisches Schild aus der Zeit der Belagerung durch die deutsche Wehrmacht. Dort steht geschrieben: Bürger, die Benutzung dieser Straßenseite ist gefährlicher bei feindlichem Artilleriebeschuss. An der Bus-Route liegt der Vorplatz vom Moskauer Bahnhof. Hier steht ein 36 Meter hoher Obelisk, errichtet 1985, der an die 900 Tage Blockade durch die deutschen Truppen erinnert. Durch Aushungern sollte die Stadt Leningrad ausgelöscht werden. Leningrad hielt stand, aber geschätzt 1,1 Millionen Zivilisten verloren ihr Leben, viele von ihnen verhungerten. Ich bin gerade zum 80. Jahrestag des Überfalls Deutschlands auf die Sowjetunion in dieser Stadt. Angesichts dieses beispiellosen Verbrechens, für das Deutschland die volle Verantwortung trägt, erfasst einen ohnmächtige Wut auf die deutschen Politiker von heute, die zum Säbelrasseln von Biden gegen China und Russland nicht nur schweigen, sondern die militärische Einkreisung von Russland weiter vorantreiben.

In der tiefsten Metrostation Russlands


Lachta Zentrum, künftiger Firmensitz von Gasprom

Peter I. und Puschkin sind auch in der Petersburger Metro anzutreffen. Ein imposantes Puschkin-Denkmal befindet sich in der nach ihm benannten Station Pushkinskaya. Gleich am Alexandergarten befindet sich die Metro-Station der Admiralität. Sie ist mit schönen Mosaikbildern geschmückt, natürlich ist auch Peter I. abgebildet. Die Station wurde erst 2011 eröffnet und liegt 86 Meter tief. Um zu ihr zu gelangen, geht es drei Minuten auf zwei Rolltreppen in den Untergrund. Die Tiefe der Stationen verweist auf die Schwierigkeiten beim Bau wie die Nähe zur Newa und den sumpfigen Untergrund. Die Strecken der Metro in Petersburg sind ziemlich lang und deshalb auch die Geschwindigkeiten der Züge recht hoch, bis zu 110 Stundenkilometer. Recht niedrig ist dagegen der Fahrpreis. Für vier Tickets ohne Zeitbegrenzung sind 280 Rubel zu zahlen. In Deutschland ist für diesen Preis mit Mühe ein einzelnes Ticket mit Zeitbeschränkung zu bekommen. In der Petersburger Metro wird man keine Ticket-Kontrolleure wie in Berlin antreffen. Diese Berufsgruppe ist ausgestorben, genauso wie die "Schwarzfahrer". Jeder, der die Metro benutzt, hat irgendwie bezahlt. Ziel der Metro-Fahrt ist das Viertel Lachta mit einer lang ausgestreckten innerstädtischen Badestelle am Ufer der Newa inmitten eines grünen Parks, der für die 300-Jahrfeier Petersburgs im Jahr 2003 angelegt wurde. Im Juni ist hier viel buntes Leben. Nicht weit entfernt ebenfalls direkt am Ufer baut das weltweit größte Erdgas-Förderunternehmen Gazprom sein neues Firmen-Hochhaus. Noch ist der Innenausbau nicht fertig gestellt. Einen Rekord hat das Bauwerk aber schon erzielt: Es ist mit 462 Metern das höchste Gebäude in Europa und eroberte eine Menge Architektur-Preise. Wird Gerhard Schröder hier ein Büro beziehen oder macht er Home Office?

II. Der Sommergarten mit Parkalleen und Skulpturen


Der Sommergarten


Der "bescheidene" Sommerpalast Peter I.

Der Besucher von Petersburg sollte auf keinen Fall den Sommergarten Letni Sad versäumen. Die Parkanlage wurde in den ersten 15 Jahren der Herrschaft von Zar Peter I. nach seinen eigenen persönlichen Entwürfen angelegt. Hier ließ er auch sein Sommer-Palais vom berühmten Architekten Domenico Trezzini errichten. Ein für seinen Berufsstand als Herrscher eher bescheidenes Haus mit 14 Zimmern, das er bis zu seinem Tod im Jahr 1725 zur Sommerzeit mit seiner Frau, der späteren Zarin Katharina I. und vielen seiner 12 Kinder bewohnte. Es wurde ein wunderschönes Park-Ensemble geschaffen, mit von hohen Bäumen gesäumten Alleen, Pergolen, Skulpturen und einer Reihe fantasievoll gestalteter Springbrunnen. Zu den berühmten Künstlern, die sich hier inspirieren ließen, gehörten auch Alexander Puschkin, Peter Tschaikowsky und der Fabeldichter Iwan Krylow. An seinem imposanten Denkmal wieseln zu Füßen des Dichters viele seiner Fabeltiere. Der Park ist entsprechend der europäischen Mode des 17./18. Jahrhunderts mit Skulpturen der Privat-Sammlung von Peter I. ausgestattet. Erstmals wurden hier im Lande Denkmäler mit unverhüllten Frauenkörpern gezeigt. Glanzpunkt der Sammlung ist die 1719 von Peter I. in Rom erworbene Venus-Statue, ein seltenes authentisches griechisches Werk aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. Die Skulptur wurde zunächst im Sommergarten aufgestellt, bevor sie im 19. Jahrhundert in das Taurische Palais versetzt wurde, wodurch der Name "Venus von Tauris" entstand. Das Original ist heute in der Eremitage zu bewundern. Auf einer der Parkalleen kann sich der Besucher auf einem Dutzend großer Bild-Text-Tafeln über historische Etappen des Sommergartens informieren. Eine der Tafeln erinnert daran, dass hier in den Jahren 1942 bis 1944 währen der Blockade Studenten und ihre Hochschullehrer Gemüse anbauten. Sie nutzen Teichränder, Rasenflächen und Blumenbeete für den Anbau von Kohl, Kartoffeln, Möhren und Rüben, um die Bewohner vor dem Hungertod zu retten.

Das berühmte kunstvoll geschmiedete Gitter


Das kunstvoll geschmiedete Gitter des Zaunes

Der schon berühmte Sommergarten erhielt Ende des 18. Jahrhunderts noch eine weitere Sehenswürdigkeit. Der Garten wurde an der Newa-Seite mit einem massiv gusseisernen, kunstvoll geschmiedeten Gitter mit drei Toren versehen. Von der Touristikbranche wird dann gern die Legende von einem britischen Lord erzählt, der die Stadt während der Weißen Nächte besuchte und mit seinem Schiff die Newa hinauf segelte. Der adlige Herr war von der Schönheit des Gitters so verzaubert, dass er sich weigerte, an Land zu gehen, da er ohnehin nichts Schöneres mehr sehen würde. Da hat der Lord aber wirklich noch einiges verpasst.

Das Russische Museum im Michalovsky Palast


Der Michalovsky Park


Puschkin-Denkmal auf dem Platz der Kunst

Unweit des Sommergartens lädt ein anderer Park zu einer Stippvisite ein: Der Michalovsky-Garten. Durch ihn führt der Weg zum Michalovsky-Palast, in dem das Russische Museum untergebracht ist. Es ist zusammen mit der Tretjakow-Galerie in Moskau die umfassendste Sammlung Russischer Kunst von Malerei und Skulpturen bis hin zum Kunsthandwerk. Am Eingang erlebt der Besucher die russische Variante der Kontrolleure und Oberaufsichtler rund um das Corona-Virus: Mit gewichtiger Genugtuung produziert sich ein Museums-Mitarbeiter. Online-Angemeldete winkt er durch, andere Besucher müssen sich in eine Schlange einreihen und warten. Aber worauf? Immerhin wird man nach einiger Zeit mit einem gönnerhaften Winken auch ohne Anmeldung eingelassen. An den Kassen steht niemand, wenige Besucher verlieren sich in den Hallen. Welchen Sinn haben solche Hygiene-Konzepte der Schlangenbildung vor dem Eingang? Die Erinnerung an deutsche Pandemie-Krieger verfliegt schnell. Eine riesige Kollektion von mehr als 300.000 Ausstellungsstücken wartet. Besonders spannend für mich die russischen Maler des 19. Jahrhunderts mit wunderbaren Arbeiten von Repin, Surikow, Perow, Savrasow und vielen anderen. Auf dem Platz der Künste vor dem Museum steht, wie kann es auch anders sein, ein Denkmal von Puschkin.

Restaurant im historischen Stil der Zarenzeit


Das Restaurant Stackenschneider


Tschishik-Pyschik

Kann Petersburg für Touristen auch kulinarisch als Metropole mithalten und etwas Besonderes bieten? Das Restaurant Stackenschneider in der kleinen Straße Millionnaya im Zentrum der Stadt kann das. Es befindet sich im Wohnhaus des Chefarchitekten von Zar Nikolaus I., Andrei Stackenschneider, der zahlreiche Paläste in Petersburg entwarf und auch an der Isaak-Kathedrale mit gebaut hat. Mit dem Interieur des Restaurants taucht man in die historische Zarenzeit ein, ein Innenhof ist im Sommer einladend, Küche und Service hoch gelobt.


An der Newa: einfach entspannen

Als ich die plüschigen Räumlichkeiten fotografiere, zeigt mir der Kellner in einem Glasschrank eine kleine vergoldete Vogelfigur. Es ist ein Erlenzeisig, russisch Tschishik, ein kleiner Vogel mit grün-gelbem Gefieder. Die Jura-Studenten der Zarenschule Petersburg mit grünen Uniformen und gelben Knopflöchern hatten damit ihren Spitznamen weg: Tschishik-Pyschik - die aufgeplusterten Zeisige. Und es wurde gleich noch ein populärer Volksreim gedichtet über die Studenten, die am Abend gerne ein paar Gläschen Wodka über den Durst tranken. Mittlerweile ist die Vogelskulptur ein Wahrzeichen von Petersburg. Ein weiteres Beispiel nach dem Sommerpark und dem Russland-Museum, wie man hierzulande mit Identität und Nationalbewusstsein umgeht.

III. Der Peterhof - mindestens so schön wie Versailles


Große Kaskade Peterhof

Mit dem Sieg Peter I. über die Schweden war auch der Zugang von Russland zur Ostsee gesichert. Dieser errungenen neuen Machtposition seines Landes hat Peter I. mit dem Peterhof als Sommerresidenz direkt am Finnischen Meerbusen ein einzigartiges Denkmal gesetzt. Petersburg als neue Hauptstadt Russland präsentiert sich eindrucksvoll als moderne, mächtige und zu Europa gehörende Metropole. Der Peterhof liegt 29 Kilometer westlich von Petersburg und ist am bequemsten in 40 Minuten mit dem Tragflügelboot Meteor zu erreichen. Die Anlegestelle im Peterhof liegt direkt am Wasserkanal des Schlosses. Zu Zeiten Peter I. haben sich die Herrschaften gleich per Boot bis zum Großen Palast fahren lassen. Das müssen die Fahrgäste vom Schiff heute zu Fuß bewältigen, aber in der schattigen Parkanlage mit 144 Fontänen und 4 Wasserkaskaden ist ohnehin an jeder Ecke etwas zu bestaunen. Das beeindruckende dieser Sommerresidenz ist die Kombination von eleganten Parkanlagen und faszinierenden Wasserspielen. Gerade mit diesem einzigartigen Markenzeichen kann der Peterhof als "Versailles des Nordens" hochgelobt sogar dem Prachtbau der französischen Ludwigs-Könige noch den Rang ablaufen.


An der Newa: Rostrasäule

Die Wasserversorgung für die Springbrunnen basiert auf einem von Zar Peter dem Großen und einem Team von Spezialisten Anfang des 18. Jahrhunderts entwickelten System. Dabei werden unterirdische Wasserquellen und das natürliche Gefälle des Geländes so genutzt, dass die Fontänen ununterbrochen mit Wasser versorgt werden und ohne eine einzige Pumpe funktionieren. Zur Freude der Besucher ist das besonders in der Großen Kaskade zu beobachten, die sich vom Sommerpalast in sieben Stufen in den Kanal ergießt. In der Mitte dieses grandiosen Bauwerks ist die beeindruckende Samson-Fontäne installiert. Zar Peter I. besiegt in der biblischen Gestalt des Samson den schwedischen Löwen, indem er ihm das Maul zerreißt; aus dem Maul schießt eine Fontäne 22 Meter in die Höhe.

Die Fontänen-Hauptstadt Russlands


Eva Brunnen Peterhof

Aber der Peterhof macht auf dem ganzen weitläufigen Parkgelände seinem Titel Fontänen-Hauptstadt Russlands alle Ehre. In der Mitte des Parks die Löwen-Kaskade. Ganz im Westen erstreckt sich das Marly-Schlösschen mit der Goldenen Hügel-Kaskade. Vor dem Marly Schlösschen ein großes Wasserbecken mit kleinen Glocken-Fontänen, die so heißen, weil der herunterfallende Wasserschleier wie eine Glocke aussieht. Die beiden ältesten Brunnen des Parks sind der Eva-Brunnen im Westteil und der Adam-Brunnen im Ostteil des Parks. Wenn man den Adam-Brunnen erreicht hat, ist man auch schon an der Schachbrett-Kaskade angelangt, die ihren Namen nach dem schachbrettartigen Muster der Wassertreppen hat. Vor der Schachbrett-Kaskade zwei große römische Fontänen, ein kleines Stück weiter die Pyramiden-Fontäne.

Jauchzen an den Scherzfontänen


Spaß an den Scherzfontänen Peterhof

In der Nähe des Lustschlosses Monplaisir zeigt das laute Juchzen von Kindern den Standort einer bestimmten Sorte von Fontänen an - der Scherzfontänen. Die Idee hatte dazu Peter I. höchst selbst. Zwischen und vor zwei einfachen weißen Bänken sind Wasserfontänen angebracht, im Sommer ein großer Spaß und eine willkommene Abkühlung. Während die Wasserstrahlen aus den Bänken per Fußhebel vom Parkwächter urplötzlich und überraschend los spritzen, geht es bei einer anderen Scherzfontäne, dem sogenannten "Wasserweg", gesittet zu. Die Fontäne wird dreimal am Tag zu festen Zeiten eingeschaltet und es wird brav um Vorsicht gebeten. Schwer zu entscheiden, wer sich mehr amüsiert, die Nassgespritzten oder die Fotografen. Die Löwen-Kaskade ist die einzige der vier Kaskaden, die nicht an einem Hang gebaut wurde. Sie wurde in ihrer heutige Form 1854 vom Architekten Stackenschneider entworfen und dann im Weltkrieg komplett zerstört, so wie auch das gesamte Schloss und große Teile der Parkanlage verwüstet und geplündert wurden. Es dauerte Jahrzehnte, ehe Pracht und Schönheit des Peterhof wieder erstrahlten. Mit der Wiederherstellung der Löwen-Kaskade im Jahr 2000 fand die Nachkriegs-Restaurierung ihren krönenden Abschluss. Der Peterhof ist auch eine Mahnung an nachfolgende Generationen, Krieg zu verdammen und das Leben und die Schönheit der Welt zu bewahren.

Nachtrag

An diesem Platz sollten neben den aktuellen Bildern vom hell erstrahlenden Peterhof auch andere Fotografien stehen. Sie zeigen das im 2. Weltkrieg total zerstörte Schloss und die zerstörte Große Kaskade. Darüber hinaus war auch die gesamte Sommerresidenz stark beschädigt und geplündert. Ein Teil der Fotografien stammen aus russischer Quelle, ein Teil wurde von einer Propaganda-Kompanie der Wehrmacht gemacht möglicherweise auch als eine Art Trophäe des Eroberers Nazideutschland. Letztere Fotos befinden sich im Besitz des Bundesarchivs und werden in einem komplizierten bürokratischen Akt nur mit Gebühren für eine Veröffentlichung zur Verfügung gestellt. Ich möchte deshalb den Lesern diese beiden Texte mit Bildern hier und hier, die die unglaublichen Zerstörungen zeigen, ans Herz legen.

Text und Fotos von Ronald Keusch

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