In 80 Zeilen um die Welt: 20 Kilo Freigepäck

Andreas Döring reist für uns "In 80 Zeilen um die Welt".
20 Kilo Freigepäck, Foto von Andreas Döring
20 Kilo Freigepäck, Foto von Andreas Döring

Das war in Santiago de Chile, am Flughafen. So eine peinliche Situation vergisst man nicht. Das Schöne daran: es war jemand anders peinlich, nicht mir. Wir hatten gerade 31 Tage an Bord der World Discoverer hinter uns, Fidschi bis Osterinsel, eine Südsee-Traumreise. Und jetzt wollten alle mit Iberia nach Hause fliegen. Ein Passagier hatte 15 Kilo Gepäck zu viel - er hatte überall Souvenirs, Klamotten und Bildbände gekauft. Ein Oberlandeskirchenrat, der sich an Bord weder durch christliche Demut noch Nächstenliebe beliebt gemacht hatte. Und deshalb half ihm niemand, als er fragte, wer denn noch ein bisschen Platz im Koffer hätte. Iberia ist streng und es hat ihn, meine ich, um die 200 Dollar gekostet. Aber mal ganz ohne Häme: wie macht man das mit dem Gepäck? In Zeiten der Billigfliegerei und erst recht der Rollkoffer schwieriger denn je. "Nimm nie mehr mit, als Du selber tragen kannst" - damit bin ich groß geworden und manchmal muss ich mir auf die Zunge beißen, um es nicht Mitreisenden um die Ohren zu hauen, die ihre riesigen Koffer keinen Bordstein rauf schaffen oder im Flieger für Fototasche, Duty-Free-Tüte, Cabin Bag, Handtasche, Rucksack und Strohhut Stauraum für zwei beanspruchen. Ganz zu schweigen von denen, die zwar mit leichtem Gepäck reisen, aber trotzdem selbst für die zwölf Stufen zur Bahnhofsvorhalle in Magdeburg unbedingt den Fahrstuhl nehmen müssen. Seelenruhig. Schwer bepackte Radfahrer mit vier Minuten Umsteigezeit interessieren da null. Ein Forschungsreisender, der sein Gepäck für Unternehmungen wie vier Monate Antarktis oder eine Sahara-Querung parat haben muss, hat mal in einem Interview gesagt, er packe nicht nach dem Prinzip "was kann ich gebrauchen", sondern er folge dem Grundsatz "was kann ich nicht entbehren!" - das sind dann nur noch ein paar Kilo. Na klar, wer all seine Sachen bei Plus 40 oder Minus 30 Grad auf dem Buckel hat. Das ist zwar kein Maßstab, aber immer einen Gedanken wert, wenns ans Packen geht. Meine Freundin hat ihre Yoga-Matte und ihr Spezial-Kopfkissen für unentbehrlich erklärt - jedesmal schüttele ich den Kopf, und doch: bei jedem Check-in unterbietet sie mich um zwei, drei Kilo.

Andreas Döring, langjähriger Redakteur im NDR Studio Braunschweig, arbeitet als freier Autor im Bereich Reisen und Literatur. Er hat in Windhoek, Namibia, bei 30 Grad im Schatten die Weihnachtssendungen für das deutschsprachige Radioprogramm produziert, in Sambia Dorfschulkinder unterrichtet und ist als Literaturlektor auf Expeditionsschiffen durch Mittelmeer, Karibik und Südsee gefahren. Seine Reisenotizen hat er für uns zu kleinen Geschichten verarbeitet. Döring wurde mehrfach für seine Arbeiten ausgezeichnet, hatte bis 2020 einen Lehrauftrag für Kultur- und Reisejournalismus an der Faber-Castell Akademie und ist in Lesungen auf englisch und deutsch zu hören.

Text und Foto von Andreas Döring

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