Erfurt: Die Buga im Doppelpack

Kein Geringerer als Martin Luther nannte die thüringische Stadt Erfurt im grünen Herzen Deutschlands einst das "Heilige Römische Reich des Gartenbaus", der dort über eine 1.000-jährige Tradition verfügt.
Foto von Manfred Weghenkel
Foto von Manfred Weghenkel

1865 fand in Erfurt die erste internationale Gartenschau statt. Auch in der DDR wurde diese Tradition erfolgreich gepflegt. 2021 ist nun die Metropole des Freistaates Thüringen zum Standort der im Zweijahresturnus stattfindenden Bundesgartenschau (Buga) auserwählt worden. Nach dem wegen Corona ziemlich schwierigen Start im April und Mai strömen jedoch seit Juni aufgrund der Lockerungen die Besucher aus nah und fern in die Blumenstadt Erfurt. Zu Recht, denn der dort noch bis 10. Oktober zu erlebende Blumen- und Blütenzauber ist auf jeden Fall eine Reise wert, auch wenn ein Tagesticket 25 Euro pro Person kostet. In die Buga-Infrastruktur wurden immerhin 185 Millionen Euro investiert. Das kam dem an der Peripherie gelegenen, seit 60 Jahren bestehenden Egapark als Hauptstandort, dem neu erschlossenen Ausstellungsareal auf der früheren Festung Petersberg im Zentrum und einigen anderen Bereichen der rund 215.000 Einwohner zählenden Stadt am Flüsschen Gera sichtbar zugute. Dazu gehört ein neu angelegter vier Kilometer langer Landschaftspark im Erfurter Norden.


Eine Powerfrau: Buga-Chefin Kathrin Weiß

Die Buga hatte gerade Halbzeit - Anlass genug für eine Gruppe Berliner CTour-Reisejournalisten, um vor Ort einmal nachzusehen und -zufragen, wie das Ganze nach drei Monaten so gelaufen ist. Bei einem exklusiven Pressegespräch machte die Geschäftsführerin der Bundesgartenschau Erfurt 2021 gemeinnützige GmbH - Kathrin Weiß - dazu einige aufschlussreiche Angaben: In den ersten drei Monaten kamen etwa 600.000 Besucher zur Buga 2021. Bei schönem Wetter werden durchschnittlich 11.000 Tagesgäste gezählt; am 10. Juli waren es sogar 17.000. Bisher wurden 46.500 Dauerkarten verkauft. Die Chefin verwies auch auf die "querbeet" im Freistaat Thüringen verteilten 25 Buga-Außenstandorte, die "ebenfalls eine Erfolgsgeschichte sind". Des Weiteren betonte Frau Weiß: "Die Nachhaltigkeit der Baumaßnahmen war und ist uns sehr wichtig. 85 bis 90 Prozent der Objekte bleiben nach Ende der Buga erhalten und damit weiter für die Öffentlichkeit zugänglich."

Auf einer Pressekonferenz am Petersberg am 30. Juli zogen Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein und Buga-Chefin Kathrin Weiß offiziell eine erste Zwischenbilanz. Der OB wörtlich: "Die Buga ist schon jetzt ein Erfolg. Hotellerie, Gastronomie, Einzelhandel und die beiden Buga-Flächen melden stetig steigende Kunden- und Besucherzahlen. Die Stadt ist wieder voller Leben, die Buga ist unser Sommermärchen!" Natürlich profitiere auch die Blumenstadt Erfurt vom Buga-Boom. Dazu Bausewein: "Unsere Tourist-Information erlebt seit einigen Wochen stetig wachsendes Interesse. Kamen im Juni 21.600 Besucher waren es im Juli mehr als 35.000." Nicht nur die Führungen über die beiden Buga-Flächen, sondern auch durch die attraktive Altstadt von Erfurt mit ihren vielen Sehenswürdigkeiten nahmen Fahrt auf. Im Mai erreichte die Buga 44 Prozent der ursprünglich geplanten Besucherzahlen, im Juni 57 und im Juli mehr als 80 Prozent - Tendenz steigend. Und auch die Einnahmen bewegen sich nach oben: knapp 27 Millionen Euro sind der Plan, Stand heute sind es mehr als 13 Millionen, also knapp die Hälfte. "Abgerechnet wird zum Schluss" sagt Kathrin Weiß. "Zehn Wochen in der Hauptbesuchszeit liegen noch vor uns." Und sie fährt fort: "Wir freuen uns über jeden Besucher und wollen jenseits der Million landen - aber das hängt natürlich auch vom weiteren Verlauf der Pandemie ab."


Lustige Blumenskulpturen erfreuen die Besucher

Selbstverständlich ließen es sich die aus der Hauptstadt angereisten Tourismusjournalisten nicht nehmen, bei schönstem Sommerwetter die beiden Buga-Areale im Rahmen von gut organisierten Führungen ausführlich zu erkunden, um aus erster Hand für ihre Leser und Zuschauer berichten zu können. Dafür gebührt der Erfurter Tourismus & Marketing GmbH, insbesondere der uns begleitenden Projektleiterin Kristin Luther, ein dickes Lob. Wenn es stimmt, dass der erste Eindruck immer der beste ist, so lautet der beim Betreten des weitläufigen, 37 Hektar großen buga-Hauptstandortes Egapark am westlichen Stadtrand Erfurts: Wow - welch eine blühende Landschaft! Sofort fühlt man sich eingetaucht in eine faszinierende Welt der Gartenbaukunst mit vielfältigen Angeboten und Erlebnissen für Naturbegeisterte, für jung und alt. Auf Schritt und Tritt wird Augenweide geboten: Lilien, Rosen, Duftnesseln, Hortensien, Löwenmäulchen, Salbei, Zinnien, Sonnenhut, Petunien, Pelargonien und andere Blumen. Auch zahlreiche Kräuter sind dabei, so Kamille, Zitronenmelisse, Pfefferminze, Kapuzinerkresse und Baldrian. Im Großen Blumenbeet, das mit seinen 370 Metern Länge zu den Publikumsrennern gehört, blühen 253.000 Sorten. 63.000 Dahlien haben ihre Blüten geöffnet. Bisher wurden über 1.700 Veranstaltungen durchgeführt und 13 Hallenschauen gezeigt; zehn folgen noch. Das repräsentative Halle 1 liegt gleich hinter dem Eingangsbereich und den Wasserfontänen. Besuchenswert ist auch das in Deutschland einzigartige Deutsche Gartenbaumuseum auf der uralten Cyriaksburg im Egapark. Hinter mächtigen Festungsmauern erwartet einen auf 1.500 Quadratmetern die neue Dauerausstellung "Die ganze Welt im Garten". Ganz in der Nähe befinden sich zwei überaus fotogene Gebäude, die einmal Teil der früheren Festung Cyriaksburg waren: der Sternwarteturm und der 15 Meter hohe Aussichtsturm mit einer spiralförmig verlaufenden 61-stufigen Wendeltreppe. Vom Aussichtsplateau aus hat man eine wunderbare Rundumsicht auf das Buga-Gelände und Teile der Stadt.


Die neu gebaute, imposante Tropenhalle "Danakil"

Auf der Cyriaksburg hatten die Berliner Reisejournalisten auch ein informatives Treffen mit dem neuen Geschäftsführer der Thüringer Tourismus Gesellschaft Dr. Franz Hofmann. Der aus Südtirol stammende Manager, seit einem Jahr im Amt, arbeitet daran, das Bundesland Thüringen innerhalb Deutschlands verstärkt als "attraktives, vielfältiges Kurzreisegebiet in zentraler Lage" zu positionieren. Hofmann verwies auf drei neue Erlebnisportale "Thüringen entdecken" zur Buga, in Weimar und künftig auch in Eisenach. Schon jetzt sei der Freistaat einer der Vorreiter bei der Digitalisierung des Tourismus, so durch die neue Online-Datenbank "ThüCAT", die alle relevanten touristischen Informationen bündelt.


Exotisches Flair im spektakulären Urwald- und Wüstenhaus

Ein neuer großer Besuchermagnet im Egapark ist das für 18 Millionen Euro erbaute imposante Urwald- und Wüstenhaus Danakil an der Stelle, wo vorher die Zentralgaststätte stand. In diesem architektonisch interessanten gläsernen Gebäude mit über 2.000 Quadratmetern Fläche werden die an sich konträren Lebensräume Wüste und Regenwald vorgestellt und dabei auch exotische Pflanzen und Tiere gezeigt. Da sieht man Kakteen und Sukkulenten, Schefflera (acht Meter hoch!), Mangos und Ficusarten sowie Wüstenskorpione, Erdmännchen, Gundi und Wasserschildkröten. Hier können die beiden sehr unterschiedlichen Klimazonen an einem Ort mit dem Fokus auf Wasser und Klimaschutz erkundet werden. Namensgeber ist die Danakil-Wüste in Äthiopien. Besonders beeindruckt hat mich das moderne, vielfältige Infotainment in diesem durchaus spektakulären Tropenhaus. So zeigt eine Weltkugel die verschiedenen Klimazonen, erklären "Wissensquellen" die Wasserverteilung auf der Erde und vermitteln "Landschaftsscanner" Wissenswertes über die gerade gescannten Pflanzen. Zusätzliche Informationen gibt es bei Bedarf vom interaktiven Audioguide.


Das Kommandantenhaus der früheren Zitadelle Petersberg

Erfurt bietet seinen Gästen die Buga also im Doppelpack an. Als zweiter Standort wurde die sich über der Altstadt erhebende, seit 1990 liebevoll und aufwändig für 11 Millionen Euro weitgehend restaurierte frühere "Zitadelle Petersberg" erschlossen, die nun in neuem Glanz zu erleben ist. Es handelt sich um eine der größten und besterhaltenen barocken Stadtfestungen Europas. In diesem Jahr sind Teile der der ab 1665 errichteten Zitadelle unbedingt besuchenswerte Ausstellungsfläche der Bundesgartenschau. Wer über den stets belebten Erfurter Domplatz spaziert und auf das berühmten Bauensemble Dom und die Severikirche zugeht, sieht rechterhand schon den Aufgang zur Zitadelle Petersberg. Am Ende der Treppe prangt in Großbuchstaben - ein Hauch von Hollywood -der Schriftzug ERFURT. Dort geht's zum gläsernen Lift, der die Besucher auf die obere Ebene bringt, wo das Festungs- und Gartenschauerlebnis beginnen kann. Auf jeden Fall sollte man die neue, sehr gut inszenierte und interaktive Ausstellung über die wechselvolle Historie der Festungsanlage im früheren Kommandantenhaus besuchen sowie die Horchgänge in den starken Festungsmauern erkunden. Notwendige Informationen liefert das neben dem Kommandantenhaus gelegene moderne Besucherzentrum. Erlebbar ist die Zitadelle Petersberg auch mit einer App.


Gärtner Said aus Ungarn am Blauen Band

Natürlich steht der gesamte Petersberg zur Buga 2021 gleichsam in voller Blüte. Das Außengelände wurde entsprechend umgestaltet. Neue Wege, schöne Wasserspiele, duftende Gärten, üppige Wechselflorflächen, viele Spielmöglichkeiten und gastronomische Einrichtungen erfreuen die Besucher. Seit 30 Jahren erstmals wieder geöffnet ist die eindrucksvolle 167 Meter lange frühere Defensionskaserne. Darin befindet sich das bereits erwähnte nagelneue Erlebnisportal "Thüringen entdecken", die Landespräsentation "Archäologische Zeitreise", die Foto-Ausstellung "Grüne Oasen" in den Kasernefenstern und auch ein Hofladen.


Die Peterskirche mit dem wunderschönen Giebel

Auf der großen Freifläche vor dem Gebäude ist das Kunstprojekt "Blaues Band" zu bestaunen - eine einmalige textile Raum- und Landschaftsskulptur. Sie geht auf die historische Kultur des Färbens von Textilien mit der Pflanzenfarbe Blau in Erfurt zurück. Das an Masten befestigte Blaue Band zieht sich 120 Meter lang durch die Parklandschaft und ist ein beliebtes Fotomotiv. Dahinter ragt die stattliche frühere Klosterkirche St. Peter und Paul auf - Thüringens größter romanischer Sakralbau. Der als Monumentalgemälde gestaltete farbenprächtige Dreiecksgiebel - ein echter Hingucker - thematisiert die in der Peterskirche gebotene multimediale Ausstellung "Paradiesgärten - Gartenparadiese". Spektakulär! Besonders wertvoll: bedeutende mittelalterliche Wandmalereien, die nach der Teilsanierung erstmalig wieder zu sehen sind.


Die Fabrikantenvilla mit Schmuckhof im "Bergfried-Park" Saalfeld

Vom Mittelalter wieder in unsere Zeit. Zu den 25 Buga-Außenstandorten in fast allen Regionen Thüringens - von Greiz und Apolda und über Weimar (allein sechs Standorte) und Sangerhausen bis Gotha und Bad Liebenstein gehört auch der "Bergfried-Park" in der 75 Kilometer von Erfurt entfernten Feengrotten- und Kurstadt Saalfeld an der Saale. Ein Abstecher dorthin bildete den Abschluss der informativ-erlebnisreichen CTour-Journalistenreise zur Buga 2021.


Der idyllische Japangarten im Buga-Außenstandort Saalfeld

Der Bergfried-Park gilt als einzigartiges Beispiel bürgerlicher Gartenkunst zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Villa mit dem Schmuckhof auf dem Berg ließ der Saalfelder Mauxion-Schokoladenfabrikant Ernst Hüther 1922/24 für seine Familie bauen. Danach entstand auch der am Hang gelegene großzügige Park mit gärtnerischen Finessen, wie den Japangarten mit seinen fernöstlichen Elementen. Gestalterischer Höhepunkt des Bergfrieds ist die noch heute faszinierende Sichtachse vom Herrenhaus über die Lindendoppelallee bis zum ganz oben gelegenen Weiherhäuschen. Und wer sich für die Geschichte dieses Landschaftsparkes und des Industriellen-Lebens von Ernst Hüther (1880 - 1944) interessiert, wird in einer Ausstellung inkl. Dokumentarfilm - im Talfried, dem ehemaligen Gärtnerhaus, fündig. Unser besonderer Moment war das besinnliche Lauschen des Carillons am 14 Meter hohen Glockenturm. Zeit zum kurzen Innehalten und Ausspannen nach zwei recht lebhaften, ereignisreichen Buga-Tagen.

Text und Fotos von Manfred Weghenkel

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