Durch das Reich der Mitte - Xi’an

Zwei Bauern machten im Jahr 1974 beim Ausschachten eines Brunnens in ihrem Dorf den Sensationsfund. Sie entdeckten 36 Kilometer nördlich von der Provinzhauptstadt Xi’an einen der bedeutendsten Weltkultur-Schätze des 20. Jahrhunderts.
Foto von Ronald Keusch
Foto von Ronald Keusch

Archäologen legten dann eine Armee von überlebensgroßen Kriegern aus Ton frei, die in mehreren Gräben in einer Schlachtordnung aufgezogen waren. Auf einem Gelände von 20.000 Quadratmetern wurden insgesamt 8.000 Soldaten, 600 Tonpferde und mehrere Kriegswagen sowie Bronzewaffen gefunden. Eindeutig wurde von den chinesischen Experten bestimmt, dass es sich bei dieser unterirdischen Armee von Tonsoldaten - deshalb die Bezeichnung Terrakotta-Armee - um eine Grabbeigabe für den ersten Kaiser Chinas Qin handelte. Er einigte vor mehr als 2.200 Jahren das Riesenreich China, das dann nach seinem Namen China benannt wurde. Die Grabstelle der Terrakotta-Armee verkörperte seine unermessliche militärische Macht, die er mit ins Jenseits nehmen wollte.

Die beiden Bauern verhalfen mit ihrem Fund nicht nur unzähligen Archäologen zu jahrzehntelanger Beschäftigung, es entstand auch ein für Touristen aus dem eigenen Land wie auch aus aller Welt attraktives Besucherziel.

Krieger stehen in der Schlachtordnung

Zum nunmehr errichteten Museumskomplex der Terrakotta-Armee werden alle Touristen gut organisiert vom Parkplatz mit offenen Minibussen gefahren. Insgesamt umfasst der Komplex vier Gebäude, die teilweise über den Fundstellen errichtet wurden. Im ersten Gebäude befinden sich insgesamt 6.000 tönerne Krieger. Allerdings sind nur 2.000 Figuren bisher ausgegraben. Ein großer Teil befindet sich noch unter der Erde. Bei den Ausgrabungen stellte sich heraus, dass die Farben an der Luft schnell verblassen und erst seit zwei Jahren eine Methode gefunden wurde, die Farben besser zu erhalten. Fachleute gehen davon aus, dass damals hier über 40 Jahre lang mehr als eine halbe Million Arbeiter gleichzeitig gebaut haben. Die Menge der Tonfiguren ist unglaublich beeindruckend. In der Schlachtordnung sind jeweils an den Seiten Stellung und Blick der Soldaten nach links und recht gerichtet. Auch Pferde-Figuren sind zu sehen. Zwei Wagen aus Bronze mit jeweils vier Pferden sind in einer anderen Halle untergebracht. Besonders faszinierend sind die unterschiedlichen Gesichter der Ton-Soldaten. Angeblich haben dabei die Handwerker "Modell gestanden" und sich so ein Denkmal gesetzt. Bei den Offizieren sind sogar Bauchansätze zu erkennen - Realismus pur.

Exportiert werden nur die Kopien

Im letzten Drittel der Halle 1 sind die Arbeitsstellen der Archäologen zu finden, die unter dem riesigen Museumsdach weitere Figuren ausgraben bzw. restaurieren. Ihre Arbeitsutensilien und zwei Ventilatoren liegen verstreut auf den Plätzen der Grabungen. Mittlerweile sind weitere Fundstellen entdeckt, andere noch nicht vollständig erschlossen. Inzwischen ist die Terrakotta-Armee zu einem chinesischen Exportschlager geworden. 2004 besetzte die Terrakotta-Armee den bereits entkernten Palast der Republik in Berlin. Gegenwärtig ist diese Ausstellung in Ulm zu sehen. Der lakonische Kommentar vom chinesischen Reisebegleiter: "Im Ausland werden nur Kopien ausgestellt!"

Niemand weiß, wie lange noch gegraben und restauriert wird. Auch wenn man ständig den Eindruck hat, dass die Uhren in China schneller gehen und in vielen Dingen ein rastloses Tempo vorherrscht, nehmen sich die Archäologen jede Menge Zeit. Bisher, so heißt es, ist erst ein Viertel der gesamten Grabanlage freigelegt - eine unendliche Geschichte.

Die unterirdische FKK-Armee

Die Geschichte der Grab-Beigaben hat noch eine aktuelle Fortsetzung. Anfang der 90er Jahre wurde beim Bau der Autobahn, die dann verlegt werden musste, 20 Kilometer nordöstlich von Xi’an in Xianyang, ein weiterer größerer Grabhügel mit Tonfiguren gefunden. Es handelt sich um das unterirdische Mausoleum des vierten Kaisers der Han-Dynastie im Han Yang Ling Museum. Die Fundstücke sind ebenfalls mehr als 2.000 Jahre alt. Im Unterschied zu den Soldaten der Terrakotta-Armee haben hier die in Tunneln vergraben Figuren nur etwa ein Drittel der normalen menschlichen Größe.

Es gibt noch einen anderen etwas pikanten Unterschied, der schon in der saloppen Bezeichnung der chinesischen Reiseführer gelüftet wird. Sie nennen die vergrabenen Figuren kurz: die "FKK"-Armee. Soldaten und Offiziere, aber auch andere Figuren wie Diener, Beamte, männliche und weibliche Eunuchen trugen Kleidung, die sich in den Jahrhunderten auflöste. So blieben die nackten Ton-Körper übrig, an denen die Arme fehlen, die damals aus Holz gefertigt wurden, um sie bewegen zu können. Allerdings sind die Ton-Körper auch mit Details wie männlichen und weiblichen Geschlechtsorganen ausgestattet. Auf die Frage nach den Gründen haben die Wissenschaftler noch keine plausiblen Antworten gefunden.

Die Nackten mit wenig Publikum

Dieses Museum wurde erst im März 2006 eröffnet. Auch hier sind unter den Museumsdächern die Archäologen bei der Arbeit. In den Grabstellen sind auch unzählige aus Ton gefertigte Tiere zu finden. Herden von Hunden, Pferden, Kühen und Schweinen stehen in den Schächten. An einer Stelle der Grube ist gerade ein Schwein halb ausgegraben. Die Ausstellung ist eine Ergänzung zur berühmten Terrakotta-Armee. Doch bisher finden nur wenige Touristen hierher. Die nackten Vorfahren finden weniger Aufmerksamkeit. Auch die Parkfläche bietet nur wenige Plätze. Es werden nicht viele Besucher erwartet.

Text und Fotos von Ronald Keusch

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