Die Tafel der Grünen Woche ist wieder gedeckt

Insgesamt 1.400 Aussteller aus 60 Ländern erwarten die Besucher vom 20. bis 29. Januar auf dem Messegelände in Berlin.
Foto von Ronald Keusch
Foto von Ronald Keusch

Endlich, endlich nun auch wieder Grüne Woche in Berlin. Nach der FRUIT LOGISTICA im April und der Internationalen Funkausstellung IFA im September vorigen Jahres geht nun auch die traditionsreichste und bekannteste Veranstaltung in Deutschland an den Start. Gegründet im Jahr 1926 ist die Grüne Woche einzigartig als internationale Messe für Ernährung, Landwirtschaft und Pflanzenbau. Im Vergleich zu anderen Messen der Hauptstadt gilt sie auch unbestritten als der Besuchermagnet.

Täglich 10.000 Besucher erwartet


Besuchermagnet Blumenhalle

Das tiefe Aufatmen, die Präsentation Landwirtschaft nicht mehr auf Streaming-Media zu beschränken, war auch auf der Eröffnungspressekonferenz deutlich zu spüren. Der neue Geschäftsführer der Messe Berlin, Dirk Hoffmann, freute sich, dass nun gerade die Grüne Woche wieder ihren festen Platz im Terminkalender in der Hauptstadt, aber auch weltweit eingenommen hat. Die Ausstellerzahl beim Neustart liegt, so Hoffmann, bei beachtlichen 1.400, erreicht allerdings noch nicht die Rekordzahl 1.750 vom Jahr 2019. Insgesamt sind 60 Länder vertreten, Russland und China fehlen. Die Erwartungen an die Besucherzahlen sind hoch, immerhin werden täglich 10.000 Gäste erwartet. Die Eintrittspreise wurden im Vergleich zur letzten Grünen Woche stabil gehalten, das Tagesticket gibt es für 15 Euro und es werden auch wieder ermäßigte Familien- und Happy Hour Tickets angeboten. Die Grüne Woche setzt dieses Jahr zum ersten Mal komplett auf Online-Tickets. An den Eingängen zur Messe stehen Helpdesks zur Verfügung, Personal vor Ort soll Unkundige beim Erwerb des Online-Tickets unterstützen. Für viele Besucher eine weitere wichtige Information. Auf dem Messegelände gibt es keine Maskenpflicht. Im öffentlichen Nahverkehr ist allerdings das Tragen einer Maske in Berlin und Brandenburg noch vorgeschrieben. Dem ausländischen Aussteller und Besucher ist das nur schwer zu erklären. Übrigens einer wachsenden Zahl von Einheimischen auch nicht. Det is Berlin.


In der Blumenhalle der Grünen Woche mit Tausenden von Frühblühern

Große Bühne für Klimaschutz

Auf der Eröffnungspressekonferenz zur Messe unter dem Funkturm wurde deutlich, dass die Grüne Woche nicht nur ein umfangreiches, attraktives und exotisches Produktangebot präsentiert, eine bunt gedeckte Speisetafel. Sie gibt zudem aktuellen gesellschaftlichen Fragen wie Klimaschutz, Kreislaufwirtschaft, Ressourcenschonung und nachhaltiger Landnutzung eine noch größere Bühne. Auch wenn sich die Ausstellungsfläche von derzeit 115.000 Quadratmetern um mindestens 10.000 Quadratmeter gegenüber 2019 verringert hat, wurde das Thema rund um den Klimaschutz erweitert. So widmet sich unter der vielversprechenden Überschrift "Erlebnis Bauernhof" die komplette Halle 3.2. diesen Fragen. Hier ist der Besucher mit solchen Losungen wie "Ernährung sichern, Natur schützen" umstellt.


Die Klima-Kuh aus Pappmaché

Mission der Aufklärung

Nur diese wenigen Daten signalisieren Bedarf an Disput. Dafür sind auf dem Erlebnisbauernhof und in weiteren Hallen eine große Zahl von Thinktanks für Ernährung und Landwirtschaft installiert, wie der von Agora Agrar und natürlich auch die aus dem gleichnamigen Ministerium mit seinem Behördenleiter Cem Özdemir von den Grünen. Die Standbetreuer haben sich auch der Mission der Aufklärung verschrieben mit solchen Statements: Etwa 200 Ernährungsentscheidungen trifft jeder Mensch pro Tag, die meisten davon unbewusst. Da bietet man Hilfe an.


Schaubäckerei - Es fehlt der Nachwuchs

Milch ist ein echtes Soulfood

Tue Richtiges und spreche darüber. Ein Expertenteam aus Wissenschaft, Lieferanten und Landwirten startete erste Klima-Milchfarmen in Deutschland, mit denen Bauernhöfe rein rechnerisch möglichst auf Netto-Null-Emissionen zu bringen sind. Christine Chemnitz von agora-agrar.de in einem Interview: "Unsere Ernährung wird sich verändern. Für einen ambitionierten Klimaschutz müssen wir als Gesellschaft im Jahr 2045 deutlich weniger tierische Produkte essen… Wir sollten weniger Tiere halten, und diese unter besseren Bedingungen." Auch eine Klima-Kuh ist in Halle 3.2 ausgestellt, allerdings nur aus Pappmaché. Und an einer Ausstellungswand in Blickrichtung der Kuh aus Pappe steht der Spruch: "Milch ist ein echtes Soulfood…" Jeder kann etwas dazu lernen.

Bellen, muhen und blöken in Halle 25

Lebendige Tiere gibt es auf der Grünen Woche anderswo. Traditionell können Tierliebhaber es während aller Messetage bellen und blöken, muhen und miauen hören, ein bisschen Bauernhofatmosphäre, wenn sie sich in den Hallen 25 und 26 beliebte und seltsame Haustiere ansehen Und die Hippologica bietet im großen Vorführring ab 27. Januar wieder für Pferdefans die beliebten Zweispänner und Springreitwettbewerbe.


Gebäck aus Uzbekistan

Demo "Wir haben es satt"

Anlässlich der Grünen Woche haben auf Berliner Straßen am 21. Januar Landwirte aus ganz Deutschland zu einer Protestaktion aufgerufen. Mit 55 Traktoren kamen Bäuerinnen und Bauern aus verschiedenen Richtungen zum Brandenburger Tor, wie die Initiative "Wir haben es satt" mitteilte. Sie fordern eine sozial gerechte Agrar- und Ernährungswende und ihr Motto lautet: "Gutes Essen für alle - statt Profite für wenige". Gefordert werden unter anderem faire Erzeugerpreise, und Sozialleistungen, die ökologischen Konsum möglich machen. Forderungen, die jeder unterschreiben kann und die keinem Weh tun. Man sollte allerdings bei Slogans "Wir haben die Agrarindustrie satt" oder "Hungerkrise beenden" immer auch im Blick behalten, dass die ökologisch und fair hergestellten Produkte noch bezahlbar sind, denn die Konsumenten leiden unter der galoppierenden Krise genauso wie die Erzeuger. Die Liste der Unterstützer der Demo ist lang, und da sich neben vielen Umweltverbänden und bäuerlichen Erzeugergemeinschaften dort auch Fridays for Future und Extinction Rebellion finden, hat die Trecker-Demo auch nicht zu befürchten, von "Klebe-Aktivisten" aufgehalten zu werden.


Salami aus Bella Italia

Wie Polen schmeckt

Mit dem Neustart im Jahr 2023 setzt sich ein jahrelanger Trend fort. Die Grüne Woche macht der Internationalen Tourismus Börse ein wenig Konkurrenz. Ganz konkret und real und überzeugend sind die ständig wachsenden und sich ausweitenden Angebote für den Tourismus. Mittlerweile eine kleine Touristik-Schau deutscher und ausländischer Regionen. Ein anschauliches Beispiel liefert unser Nachbarland Polen. In der Messehalle 11.2 präsentieren sich auf mehr als 150 Quadratmeter Fläche neben dem Polnischen Landwirtschaftsministerium auch die Woiwodschaften Niederschlesien und Kujawien-Pommern, der Verband der Stör-Fischproduzenten sowie zahlreiche Einzelaussteller. Dazu gehören zum Beispiel Hersteller von Bier, Bio-Lebensmitteln oder von Wurst, Ölen, Süßwaren und Honig. An den Ständen kann man erleben, wie Polen schmeckt. Jeden Tag finden Verkostungen und kulinarische Shows mit bekannten polnischen Köchen statt. Mit dabei ist am ersten Messewochenende auch eine Gruppe von Landfrauen aus dem Oppelner Land, die ihr Können zeigen.


Englische Sweets


Polen schmeckt

Polnischer Landurlaub hat Tradition

Hier treffe ich auch den Leiter des polnischen Fremdenverkehrsamtes Konrad Guldon, der gemeinsam mit dem Landwirtschaftsministerium für Landurlaub in Polen wirbt. "Klassische Urlaubsgebiete unseres Landes liegen an der Ostseeküste", so die Einschätzung von Konrad Guldon, "aber auch der Urlaub auf dem Bauernhof hat besonders in West- und Nordpolen ebenfalls schon eine Tradition." Außerdem sei Polen insgesamt ein sehr nachhaltiges Land, weil die Menschen in polnischer Tradition gern mit und in der Natur leben. Eine Reihe von Bauernfamilien richten auf den Höfen Quartiere für Urlauber ein, versorgen sie mit selbst produziertem Käse und Wurst.


Uzbekistan - ein Hauch von Tausendundeiner Nacht

Urlaub auf dem Pferderücken

Zu den Glanzlichtern des Landtourismus zählt der Urlaub auf dem Pferderücken. Viele Gestüte und Reiterhöfe bieten zudem Reitunterricht für Anfänger sowie Geländeausritte und sogar für Abenteuerlustige mehrtägige Reittouren an. Zu der bunten Palette von Anbietern gehören das Schloss Barborowko bei Poznan, die Ranch "Rancho Zapotozcny" nahe von Gorzòw sowie Sudecki Szlak Konny. Darüber hinaus erwarten den Touristen auf dem Lande zahlreiche Seen und Flüsse, auf denen der Urlauber mit Kajak, Boot und Floss gemächliche wie anspruchsvolle Touren unternehmen kann. Und es gibt auch noch ländliche Abenteuerspielplätze mit Wiesen, Scheunen voller Heu und dem beliebten Matsch-Spielplatz sowie natürlich den hauseigenen Streichelzoo mit Eselchen, Schaf, exotischem Lama, Kaninchen, mit Hühnern, Enten, Gänsen und selbstverständlich Hunden und Katzen. Das alles ist auf dem Bauernhof "Beim Hahn" in Wioska Pod Kogutem im Süden von Warschau zu finden. Konrad Guldon: "Die Gästeliste führen die Deutschen an, dann folgen Tschechen und die Skandinavier und dann kommen auch Engländer." Sprachbarrieren gebe es keine. Besonders empfiehlt Konrad Guldon einen Urlaub inmitten von Weinbergen, zum Beispiel in den grenznahen Regionen Lebuser Land, Niederschlesien oder Westpommern. "Der Weinanbau in Polen entwickelt sich sehr gut und zahlreiche Winzer bieten auch Unterkünfte für Gäste an", so Guldon. Gerade wer in den Zeiten nach Corona nach Ruhe und Entspannung suche, sei in Polen richtig.


Insekten knabbern

Internationale Häppchen-Tour

Alle Besucher der Grünen Woche, die sich an die Häppchen-Kultur früherer Zeiten erinnern, kommen auch in diesem Jahrgang wieder vollkommen auf ihre Kosten. Wenn die Schweden ihren Elch-Hotdog und Elch-Bratwurst anbieten, die Frauen mit ihrer traditionellen holländischen Spitzenkappe ihre Käsesorten, wenn die britischen Sweets der Fudge Company verführerisch aussehen, die usbekischen Fladenbrote so exotisch, die sonnengereiften Äpfel aus Südtirol leuchten, die dünnen Probierscheiben der Salumificio Aliprandi aus Italien phantastisch schmecken wie ebenso die Skilandis, die hausgemachte Presswurst aus Litauen oder die feinste Auswahl von echten Spreewälder Gurken in der Brandenburg Halle. Ein Besuchstag der Messe reicht nicht aus, sich durchzukosten und durchzuschmecken.


Heuschrecken und Mehlwürmer als Proteinlieferanten der Zukunft?

Kostenlos Insekten knabbern

Wer allerdings glaubt, er hat die besten Häppchen ausprobiert und kann auf eine immer wieder auftauchende Frage der Messe: "Wie schmeckt die Zukunft?" eine Antwort geben, der darf den Messe-Stand des Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) nicht verpassen. An dem Stand wird von Conrad Hoyos und seinen jungen Mitarbeitern den Besuchern das Thema: "Insekten für die weltweite Ernährung" nähergebracht. Insgesamt sechs Gläser mit Heuschrecken, gerösteten Grillen, Crunchy Grillen und Mehlwürmern sind auf dem Tisch platziert und eine Mischung in einem kleinen Papiertütchen kann von jedem kostenlos geknabbert werden. Einige mutige Besucher und vor allem einige Besucherinnen trauen sich. "Die Insekten sind gesund für Mensch und Tier, bestehen auf hochwertigem Protein und sind reich an ungesättigten Fettsäuren", erläutert mir Conrad Hoyos. "Etwa zwei Milliarden Menschen vor allem in Asien und Südamerika essen Insekten." Und hier in Deutschland? Da werde es wohl eine Nische bleiben, so der Fachmann von GIZ. Das ist dann doch zum Abschluss der Schlemmertour auf der Grünen Woche eine beruhigende Information.

Text und Fotos von Ronald Keusch

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